Eisfieber - Roman
Menschheit.«
Edie McAllan fragte: »Gegen welche Art von Viren ist Ihr Mittel denn geeignet?«
Wieder eine wissenschaftliche Frage. Toni glaubte allmählich, dass sie mit der Pressekonferenz tatsächlich genau das erreichen konnten, was sie sich erhofft hatten, und es kostete sie einige Mühe, ihren Optimismus im Zaum zu halten. Aus ihrer Erfahrung als Pressesprecherin bei der Polizei wusste sie, dass es Journalisten gab, die durchaus ernsthafte, intelligente Fragen stellten und dann am Schreibtisch in der Redaktion unsäglich dumme Hetzartikel produzierten. Außerdem kam es immer wieder vor, dass vernünftige Beiträge von irgendwelchen unverantwortlichen Ignoranten umgeschrieben wurden.
»Das ist genau die Frage, um deren Beantwortung wir uns gegenwärtig bemühen«, erwiderte Stanley. »Wir erproben das Mittel an einer Vielzahl von Viren, damit wir uns ein Bild von seinem Wirkungsspektrum machen können.«
»Sind auch gefährliche Viren dabei?«, wollte Clive Brown wissen.
»Ja. Niemand braucht ein Medikament gegen harmlose Viren.«
Es war eine humorvolle Antwort auf eine dämliche Frage. Die Zuhörer lachten, Brown dagegen wirkte sichtlich verärgert. Tonis Zuversicht schwand. Ein gedemütigter Journalist würde nicht ruhen, bis er sich gerächt hatte.
»Ich danke Ihnen für Ihre Frage, Clive«, sagte sie schnell in dem Versuch, ihn zu besänftigen. »Wir haben hier bei Oxenford Medical in den Labors, die sich mit speziellen Stoffen befassen, die bestmöglichen Sicherheitsvorkehrungen. Im BSL - 4 -Labor – die Abkürzung bedeutet Bio Safety Level Four – ist das Alarmsystem direkt mit dem regionalen Polizeipräsidium in Inverburn verbunden. Das Labor wird rund um die Uhr von Sicherheitskräften bewacht, und heute Morgen erst habe ich das Personal dafür verdoppelt. Als weitere Vorsichtsmaßnahme dient, dass die Werkschutzangehörigen das Labor nicht betreten können, sondern es über interne Überwachungskameras kontrollieren.«
Brown ließ sich damit nicht beschwichtigen. »Wie konnte dieser Hamster denn dann herauskommen, wenn Ihre Sicherheitsvorkehrungen so perfekt sind?«
Auf diese Frage war Toni vorbereitet. »Dazu will ich Ihnen dreierlei sagen. Erstens: Es handelte sich nicht um einen Hamster. Sie haben diese Information von der Polizei, aber sie ist leider falsch.« Toni hatte Frank diese Fehlinformation absichtlich gegeben. Er war ihr auch prompt auf den Leim gegangen und hatte sich damit selber als Quelle für den Bericht von Carl Osborne identifiziert. »Was die reinen Fakten hinsichtlich der Vorgänge hier bei uns im Hause angeht, so möchte ich Sie alle bitten, sich auf unsere Version zu verlassen. Es handelte sich um ein Kaninchen, und es hörte nicht auf den Namen Fluffy.«
Wieder gab es Lacher. Selbst Brown schmunzelte.
»Zweitens: Das Kaninchen wurde in einem Matchsack aus dem Labor geschmuggelt. Wir haben daraufhin sofort eine obligatorische Taschendurchsuchung vor dem Eingang zum BSL - 4 -Labor angeordnet, damit so etwas nie wieder passieren kann. Drittens: Ich habe nicht gesagt, dass unser Sicherheitssystem perfekt ist, sondern lediglich von den ›bestmöglichen Sicherheitsvorkehrungen‹ gesprochen. Wir tun unser Möglichstes – mehr können Menschen nicht tun.«
»Sie geben also zu, dass Ihr Labor eine ständige Gefahrenquelle für die arglose Bevölkerung Schottlands darstellt?«
»Nein. Bei uns sind Sie sicherer aufgehoben als auf der Autobahn oder wenn Sie in Prestwick ein Flugzeug besteigen. Viren töten täglich viele Menschen, aber es ist nur ein einziges Mal vorgekommen, dass ein Mensch an einem Virus aus unseren Laboratorien gestorben ist – und diese Person war kein argloser Schotte, sondern ein Angestellter, der sich mit voller Absicht über unsere Vorschriften hinweggesetzt und bewusst ein großes Risiko auf sich genommen hat.«
Im Großen und Ganzen läuft es bis jetzt recht gut, dachte Toni und hielt nach dem nächsten Fragesteller Ausschau. Die Fernsehkameras surrten, die Blitzlichter blitzten, und Stanley präsentierte sich als das, was er war: ein brillanter Wissenschaftler mit ausgeprägtem Verantwortungsgefühl. Allerdings stand zu befürchten, dass die Sender die Bilder von der Pressekonferenz zu undramatisch fanden und stattdessen nur die jungen Leute vor den Werkstoren zeigten, die mit Sprechchören für die Rechte der Tiere demonstrierten. Nur allzu gerne hätte Toni den Kameraleuten etwas anderes Interessantes vorgeführt.
Jetzt meldete sich
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