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Eisfieber - Roman

Titel: Eisfieber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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mich gerade noch einmal für vier Wochen krankgeschrieben.«
    Toni hoffte, dass es Mutter bei Bella gefallen würde. Bella war eine liebenswerte Schlampe, und Mutter hatte daran nie Anstoß genommen, im Gegenteil: Sie war immer gern nach Glasgow gereist und hatte in der zugigen Sozialwohnung zusammen mit den geliebten Enkelkindern halbgare Pommes gemampft. Doch inzwischen befand sie sich in einer Vorstufe zur Senilität, und da war es fraglich, ob sie Bellas chaotische Haushaltsführung noch immer mit philosophischem Gleichmut hinnehmen würde. Genauso unklar war, ob Bella mit Mutters zunehmender Unberechenbarkeit fertig würde.
    Als Toni einmal eine etwas unfreundliche Bemerkung über Bella entschlüpft war, hatte ihre Mutter spitz gekontert: »Sie ist nicht so furchtbar ehrgeizig wie du und deshalb die Glücklichere von euch beiden.« Mutter war taktlos geworden, aber ihre Kommentare waren oft noch von schmerzhafter Präzision.
    Als der Koffer fertig gepackt war, wusch Toni sich die Haare und nahm ein Bad, um die zwei Tage höchster innerer Anspannung abzuspülen. Dabei schlief sie in der Badewanne ein. Als sie erschrocken wieder hochfuhr, stellte sie fest, dass nicht viel mehr als eine Minute vergangen sein konnte, denn das Wasser war noch immer heiß. Sie stieg aus der Wanne und rubbelte sich kräftig ab.
    Sie betrachtete sich im großen Badezimmerspiegel und dachte: Ich habe noch alles, was ich vor zwanzig Jahren hatte – nur eben alles fünf Zentimeter tiefer. Was gut war bei Frank, zumindest in der Anfangszeit ihrer Beziehung, war, dass ihm ihr Körper so gefallen hatte. »Was hast du für tolle, große Titten«, hatte er manchmal gesagt, obwohl Toni der Meinung war, dass ihre Brüste für ihre Figur eigentlich zu groß waren. Aber Frank verehrte sie. Ein andermal hatte er, als er zwischen ihren Beinen lag, gesagt: »Eine Muschi in dieser Farbe hab ich noch nie gesehen. Sieht aus wie ein Ingwerplätzchen.« Sie fragte sich inzwischen, wie lange es noch dauern mochte, bis wieder einmal jemand die Farbe ihres Schamhaars bewunderte.
    Sie zog braune Jeans und einen dunkelgrünen Pullover an. Als sie gerade den Koffer zumachte, klingelte das Telefon. Es war ihre Schwester. »Hallo, Bella«, sagte Toni. »Wie geht’s Mutter?«
    »Sie ist nicht hier.«
    »Was? Du solltest sie doch um dreizehn Uhr abholen!«
    »Weiß ich. Aber ich kam hier nicht weg. Bernie hatte den Wagen.«
    »Und du bist immer noch nicht unterwegs?« Toni sah auf ihre Uhr. Es war halb sechs. Sie stellte sich Mutter in ihrem Altenheim vor, in Hut und Mantel in der Eingangshalle sitzend, einen Koffer neben dem Stuhl, und Stunde um Stunde wartend. Sie wurde ärgerlich. »Was denkst du dir eigentlich dabei?«, fragte sie Bella.
    »Das Problem ist, dass das Wetter inzwischen sehr schlecht ist.«
    »Es schneit in ganz Schottland, aber nicht stark.«
    »Na ja, Bernie will jedenfalls nicht, das ich bei diesem Wetter hundert Kilometer durch Nacht und Nebel fahre.«
    »Wenn du sie zum vereinbarten Zeitpunkt abgeholt hättest, würdest du nicht bei Nacht und Nebel fahren müssen!«
    »O je, jetzt bist du mir böse, ich hab’s ja kommen sehen.«
    »Ich bin dir nicht böse …« Toni hielt inne. Ihre Schwester hatte sie schon öfter mit diesem Trick rumgekriegt. Im nächsten Augenblick würden sie darüber reden, wie Toni ihre Wut in den Griff bekommen könnte – statt darüber, dass Bella ein Versprechen gebrochen hatte. »Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, wie ich mich fühle«, sagte sie. »Denk doch mal an Mutter! Glaubst du nicht, dass sie jetzt sehr enttäuscht ist?«
    »Doch, natürlich, aber für das Wetter kann ich auch nichts.«
    »Was wirst du jetzt tun?«
    »Da gibt es nicht viel, was ich noch tun kann.«
    »Dann lässt du sie also über Weihnachten im Heim?«
    »Es sei denn, du holst sie zu dir. Von dir aus sind das ja nur fünfzehn Kilometer.«
    »Bella, ich habe eine Wellness-Kur gebucht, das weißt du doch! Sieben Freunde warten schon auf mich. Wir wollen fünf Tage gemeinsam verbringen. Ich hab schon vierhundert Pfund angezahlt und freue mich wahnsinnig auf eine kleine Auszeit.«
    »Das klingt ein bisschen egoistisch.«
    »Moment mal: Die letzten drei Male hat Mutter Weihnachten bei mir verbracht. Ist das egoistisch?«
    »Du hast ja keine Ahnung, wie schwer es ist mit drei Kindern und einem Mann, der zu krank ist, um zu arbeiten. Du hast einen Haufen Geld und brauchst dich nur um dich selbst zu kümmern.«
    Ich bin eben nicht so

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