Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eisfieber - Roman

Titel: Eisfieber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
erschreckt!« Dann wurde sie leichenblass und fügte hinzu: »Du musst das ja alles mitbekommen haben.«
    »Tut mir Leid.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich wollte das nicht.«
    Jetzt errötete seine Schwester. »Du erzählst das aber nicht weiter, oder?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Ich meine es ernst, Kit. Niemand darf davon erfahren. Es wäre grauenhaft. Du könntest zwei Ehen damit zerstören.«
    »Ich weiß, ich weiß.«
    Jetzt erst sah sie die Brieftasche in seiner Hand. »Was hattest du eigentlich hier vor?«
    Er zögerte, dann kam ihm plötzlich eine Idee. »Ich brauche Geld.« Er zeigte ihr die Scheine in der Brieftasche.
    »Ach, Kit!« Es klang traurig, aber nicht anklagend. »Warum willst du immer, dass dir das Geld in den Schoß fällt?«
    Er verbiss sich eine empörte Antwort. Sie nahm ihm seine Lügengeschichte ab, das war die Hauptsache. Er schwieg und setzte eine Armesündermiene auf.
    »Olga sagt immer, dass du dir lieber einen Shilling klaust, als ein ehrliches Pfund zu verdienen«, fuhr Miranda fort.
    »Schon gut, reib nicht noch Salz in die Wunde.«
    »Du kannst doch nicht einfach Daddys Brieftasche plündern! Das ist ja furchtbar!«
    »Mir steht das Wasser bis zum Hals, ehrlich gesagt.«
    »Ich geb dir Geld!« Sie stellte den Wäschekorb ab. Ihr Rock hatte auf der Vorderseite zwei Taschen. Miranda griff in eine hinein, zog ein paar zerknitterte Geldscheine heraus, glättete sie und reichte Kit zwei Fünfzigpfundnoten. »Wende dich halt an mich«, sagte sie, »ich lass dich schon nicht hängen.«
    »Danke, Mandy«, erwiderte Kit.
    »Aber klau niemals mehr von Daddy!«
    »Okay.«
    »Und erzähle um Himmels willen niemandem etwas von Hugo und mir!«
    »Versprochen«, sagte Kit.

17.00 Uhr
     
     

     
     
     
     
     
    Toni hatte ungefähr eine Stunde lang tief geschlafen, als der Wecker sie aus ihren Träumen riss.
    Sie stellte fest, dass sie angezogen auf ihrem Bett lag. Nicht einmal Jacke und Schuhe hatte sie abgestreift, so müde war sie gewesen. Doch der kurze Schlaf hatte ihr gut getan, sie fühlte sich jetzt wesentlich frischer. Da sie während ihrer Zeit bei der Polizei oft Schichtdienst gehabt hatte, war sie unregelmäßige Arbeitszeiten gewohnt. Sie konnte überall einschlafen und war nach dem Aufwachen sofort wieder hellwach.
    Sie bewohnte eine Etage in einem viktorianischen Haus mit mehreren Wohnungen, hatte ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, eine kleine Küche und ein Bad. Inverburn war ein Fährhafen, aber von ihrem Apartment aus bot sich kein Blick aufs Meer. Toni mochte ihre Wohnung nicht besonders: Es war der Ort, an den sie nach der Trennung von Frank geflohen war, und sie verband keine angenehmen Erinnerungen damit. Obwohl sie schon zwei Jahre hier wohnte, sah sie in ihrem gegenwärtigen Domizil allenfalls eine Übergangslösung.
    Sie stand auf, zog die Bürokleidung aus, die sie nun schon seit zweieinhalb Tagen am Leib hatte, und warf sie in den Wäschekorb. Mit einem Hausmantel über der Unterwäsche lief sie geschäftig hin und her und packte den Koffer für die fünf Übernachtungen im Wellness-Hotel. Ursprünglich hatte sie bereits am Abend vorher packen und heute Mittag abfahren wollen; es gab also einiges nachzuholen.
    Sie konnte ihren Kurzurlaub kaum erwarten. Das ist genau das, was ich jetzt brauche, dachte sie. Ich lasse mir den Kummer wegmassieren, schwitze in der Sauna Giftstoffe aus, lasse mir die Nägel lackieren, die Haare schneiden und die Wimpern aufdrehen – vor allem aber freue ich mich unglaublich darauf, mit meinen alten Freunden zu reden, Spiele zu spielen und ein paar Tage lang meine Sorgen zu vergessen.
    Ihre Mutter musste inzwischen bei Bella sein. Mutter war eine intelligente Frau, die allmählich ihren Verstand verlor. Die ehemalige Sekundarschullehrerin für Mathematik hatte Toni während des Studiums immer helfen können, sogar noch im letzten Jahr vor ihrem Ingenieursexamen. Inzwischen war sie nicht einmal mehr imstande, im Laden ihr Wechselgeld zu zählen. Toni liebte ihre Mutter sehr und war tieftraurig über ihren geistigen Verfall.
    Bella, ihre Schwester, war ein bisschen oberflächlich. Sie putzte, wenn sie gerade Lust dazu hatte, kochte, wenn sie Hunger hatte, und manchmal vergaß sie sogar, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Bernie, ihr Mann, war Friseur, arbeitete aber nur selten wegen einer nicht näher diagnostizierten Brustkrankheit. Wenn man ihn routinemäßig fragte: »Wie geht’s dir?«, antwortete er meistens: »Der Arzt hat

Weitere Kostenlose Bücher