Eisige Naehe
...«
»Lisa, mir kommt da eben ein Gedanke. Spedition. Klingelt da was bei dir?«
Santos kniff die Augen zusammen und nickte. »Ich glaube schon. Du meinst, Klein könnte ein Menschenhändler gewesen sein? Mit dem nötigen Bakschisch kannst du doch alles kriegen und alles machen, selbst die größte Schweinerei ...«
»Nicht nur mit Schmiergeld, du musst auch die entsprechenden Beziehungen haben, die Logistik muss stimmen ...«
»Richtig. Beziehungen zu wem? Zoll? Polizei? Oder gar Verfassungsschutz?« Sie hielt inne, fasste sich an den Mund, ohne den Blick von dem Toten zu lassen, und fuhr fort: »Albertz hat uns nur einen Bruchteil von dem gesagt, was er weiß. Ruf die Spusi an, sofort. Und Klaus soll herkommen, nur Klaus. Ich will keinen anderen Rechtsmediziner hier sehen, schon gar keinen normalen Arzt.«
»Ich kümmere mich um die Spusi, du rufst Klaus an«, sagte Henning.
Santos wählte Jürgens' Nummer, es dauerte eine Weile, bis er abnahm. »Klaus, lass alles stehen und liegen und mach dich sofort auf den Weg nach Mönkeberg, hier ist die Adresse ...«
»Nicht so hastig, was soll ich da?«
»Wir haben Klein gefunden, wir nehmen es zumindest an. Beeil dich, wir erklären dir später, warum.«
»Ich bin in einer Viertelstunde bei euch. Falls ich ein Knöllchen krieg, übernehmt ihr das.«
»Mein Gott, ja, aber beeil dich.«
Jürgens traf tatsächlich als Erster am Tatort ein.
»Ups, da hat's einen aber schwer erwischt. Seid ihr sicher,
dass das Klein ist?«, fragte er.
»Sein Gesicht ist ja noch ziemlich gut zu erkennen«, antwortete Santos lakonisch.
»Warten wir, bis die Fotos im Kasten sind. Woher wusstet ihr, dass ihr ihn hier finden würdet?« »Intuition.«
»Aha. Wieso wolltet ihr ausgerechnet mich hier haben?« »Damit du uns in ein paar Stunden sagst, ob du etwas Bestimmtes an ihm gefunden hast«, sagte Santos, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und wartete auf Jürgens' Reaktion.
»Ihr wollt mich also tatsächlich da mit reinziehen. Hätte ich mir denken können. Aber so einfach ist das nicht.« Er wollte noch etwas hinzufügen, als die drei Männer und zwei Frauen der Spurensicherung eintrafen. Er nahm Santos beiseite und flüsterte: »Glaub bloß nicht, dass ich wegen eurer Verrücktheit meine Karriere aufs Spiel setze und ...«
»Das verlangt keiner von dir, außerdem sind wir nicht verrückt. Verrückt ist, was hier abläuft. Sören und mir geht es ausschließlich um die Wahrheit, auch wenn sie vielleicht nie an die Öffentlichkeit gelangt. Wir wollen von dir nur wissen, ob auch an Klein die DNA ist. Wir erwarten nicht, dass du mit uns kooperierst, wir bitten dich lediglich, uns Ergebnisse durchzugeben. Ist das zu viel verlangt?«
»Ihr bekommt die Ergebnisse. Mehr aber auch nicht«, entgegnete Jürgens gereizt.
»Habe ich vielleicht mehr verlangt? Nun mal ganz ehrlich: Möchtest du nicht auch zu gerne wissen, was hier wirklich abläuft?«
Jürgens sah Santos in die Augen, als er fragte: »Gibt's hier einen Raum, wo wir beide, nur wir beide, uns ungestört unterhalten können?« »Mit Sicherheit. Komm.«
Sie gingen auf den Flur, Santos öffnete eine Tür und stand in einem großen Zimmer mit einem überdimensionalen Wasserbett und zwei schwarzen Nachtschränken, auf dem Sexspielzeug lag. Eine Liege aus Leder und verchromtem Stahl befand sich in einer Ecke, alles, was das SM-Herz begehrte, hing an der Wand: Ketten, Trichter, Handschellen unterschiedlichster Farben, Halskrausen aus Eisen, schwarze und rote Nietenmasken, die nur winzige Öffnungen für Augen, Nase und Mund hatten, Peitschen, Schlingen, ein Andreaskreuz, an dem lange Ketten hingen, Leder- und Stahlbesteck für die ausgefallensten Praktiken. Ansonsten gab es nur noch ein riesiges Bild an der Wand, das ein der Hölle entsprungenes Wesen zeigte. Der Boden bestand aus einem dunkelroten und schwarzen Gummibelag, die Beleuchtung aus unzähligen winzigen Lämpchen, die in die schwarze Decke eingelassen waren.
Jürgens ließ den Blick durch den Raum schweifen, sein Gesicht drückte all das aus, was er dachte. Santos beobachtete ihn und fühlte sich bestätigt. »Es ist wahrlich nicht das erste Mal, dass ich in einem SM-Zimmer bin, als Rechtsmediziner wohlgemerkt, aber so was habe ich noch nie gesehen«, sagte er leise, fast ehrfurchtsvoll, und doch mit einem angewiderten Gesichtsausdruck. »Ich frage mich, was ein Wasserbett in einem SM-Studio zu suchen hat. Begreif ich nicht. Ich bin normalerweise vorsichtig mit
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