Eisige Naehe
sein, dass jemand anderes sie in die Finger bekommt, und dann hätten auch wir ein dickes Problem. Es handelt sich nämlich um eine äußerst delikate Angelegenheit, die eigentlich unter Verschluss gehalten wird, aber mein Vorgesetzter hat ein exzellentes Gedächtnis, speziell was diesen Fall betrifft. Wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, sind Sie der Überzeugung, dass der Fall Schumann und der Fall Bruhns zusammenhängen ...«
»Ja, so wurde es uns erklärt«, entgegnete Santos, die sich nun fragte, ob Julia Durant sie beim ersten Telefonat auch wirklich verstanden hatte.
»Dann werde ich Ihnen jetzt einiges zu Schumann sagen. Schumann war eine der absoluten Größen im Immobilien- und Grundstücksgeschäft in Deutschland, vornehmlich im Frankfurter Raum. Er hat hier 1957 als junger Mann bei null angefangen, wenige Jahre später gehörten ihm bereits ganze Straßenzüge in den besten Lagen, unter anderem im Westend, im Bahnhofsviertel und im Villenviertel auf dem Lerchesberg. Seit Ende der Sechziger bis zu seinem Tod wurden gegen ihn über zwanzig Ermittlungsverfahren wegen Spekulationsgeschäften sowie wegen des Verdachts der Erpressung und Korruption eingeleitet, ohne dass es jemals zu einer Anklage geschweige denn zu einer Verurteilung gekommen wäre. Schumann genoss Rückendeckung von politischer Seite, er durfte sich praktisch alles erlauben, ohne dafür belangt zu werden. Ermittlungen gegen ihn wurden ständig behindert, die Kollegen vom OK hatten sogar konkrete Hinweise, dass Schumann in Menschen-, insbesondere Kinderhandel involviert war, allerdings wurden die Ermittlungen in jedem einzelnen Fall vonseiten der Staatsanwaltschaft, in einem Fall sogar vom BND, gestoppt. Er galt sogar, und das ist eine höchst vertrauliche Information, als einer der Drahtzieher im Kinderhandel und der damals stark aufkommenden Kinderpornografie, obwohl es noch kein Internet gab.
Doch keiner kam an ihn ran, in der Öffentlichkeit waren stets zwei Bodyguards an seiner Seite. Nur in gewissen privaten Situationen - wie am Tag seiner Ermordung -wollte er allein sein. Wie es aussieht, fühlte sich Schumann an jenem 17. Oktober ausgesprochen sicher, ihm gehörten mehrere hundert Hektar um das Landhaus herum, allerdings war das Gebiet nicht abgesperrt. Er hatte an diesem Tag ein Mädchen bei sich, das von den damaligen Ermittlern auf maximal vierzehn Jahre geschätzt wurde, zum gleichen Ergebnis kamen auch die Rechtsmediziner. Sie sagten, das Mädchen sei zwischen zwölf und vierzehn gewesen, bestimmten Merkmalen zufolge slawischer Herkunft. Der Presse gegenüber wurde das Alter zwischen achtzehn und zwanzig angegeben, man wollte den guten Ruf des werten Herrn nicht beschmutzen. Frau Schumann befand sich zum Zeitpunkt der Ermordung ihres Mannes in Südfrankreich und wurde dort über seinen Tod informiert. Sie wurde mehrfach von den Ermittlern befragt, doch sie schied als Tatverdächtige oder Auftraggeberin aus, da sie von vornherein bekundete, von den zahlreichen Affären ihres Mannes gewusst und sie geduldet zu haben. Was sie angeblich nicht wusste, war, dass er auch einen starken Hang zu Minderjährigen hatte. Sie war einverstanden oder bestand sogar darauf, dass dies nicht an die Öffentlichkeit gelangte, allein schon ihres guten Rufes wegen. Den Rest kennen Sie.« »Wo lebt Frau Schumann heute?«, wollte Santos wissen. »Sie bewohnt nach wie vor eine Villa im Frankfurter Westend und besitzt darüber hinaus mehrere Wohnungen und Häuser in Deutschland und im Ausland. Ihr Vermögen wird auf etwa dreihundert Millionen Euro beziffert, die Immobilienwerte nicht eingerechnet. Sie hat die Mehrheitsanteile an dem Unternehmen vor ein paar Jahren an einen russischen Investor verkauft, ist aber immer noch mit neunundvierzig Prozent beteiligt. Erwähnenswert ist vielleicht außerdem, dass sie zurückgezogen lebt und als Wohltäterin und Mäzenin bekannt ist. Was für Sie besonders interessant sein dürfte, ist, dass sie auch in Kiel eine Immobilie besitzt. Hier scheint sich ein Kreis zu schließen.«
»Uns wurde bereits angedeutet, dass sie ein Haus in Kiel hat. Haben Sie die Adresse?«, fragte Santos, sie zitterte geradezu, meinte sie doch zu spüren, dass die Nebel sich zu lichten begannen.
»Nein, aber es dürfte für Sie kein Problem sein, die herauszufinden. Ich kann Ihnen die Frankfurter geben. Haben Sie was zu schreiben zur Hand?« »Ja.«
»Und wenn das Haus hier in Kiel nicht unter ihrem Namen eingetragen ist?«
»Es
Weitere Kostenlose Bücher