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Eisige Naehe

Eisige Naehe

Titel: Eisige Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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vernichten. Letztlich war es nebensächlich, denn Henning dachte weiter. Warum lag Bruhns in dieser seltsamen Stellung auf der Couch? Warum stand seine Hose offen? Warum war die junge Frau nackt, und warum machte sie selbst im Tod noch Anstalten, als wollte sie Bruhns oral befriedigen? Was war hier passiert? Und wie? Und warum? Und wer hatte diese fast gruselig zu nennende Tat begangen? Gruselig, wäre da nicht auch diese seltsame Art höchst morbiden Humors. Wer Leichen so plazierte und drapierte, musste über einen eigenartigen Humor verfügen, über den allerdings vermutlich nur er selbst lachen konnte. Ein Humor, wie Henning ihn sonst nur von Rechtsmedizinern kannte.
    »Was denkst du?« Santos war neben ihn getreten. Henning, der ziemlich angespannt wirkte, antwortete wie aus weiter Ferne: »Ich versuche zu ergründen, was den Täter bewogen haben könnte, den Tatort so herzurichten.«
    »Das versuche ich auch schon die ganze Zeit, aber dazu müsste ich mich in sein Gehirn einklinken. Da liegt das Problem, ich kann so etwas nicht.« »Wer kann das schon?« »Was fällt dir auf?«, fragte sie.
    »Alles«, entgegnete er einsilbig. Doch nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Das ist so ziemlich das Absurdeste, was mir je untergekommen ist. Es übertrifft wirklich alles. Wenn ich's nicht mit eigenen Augen sehen würde, ich würde es nicht glauben.«
    »Ich auch nicht. Wir lernen eben permanent dazu.« »Auf solche Lernerlebnisse kann ich gern verzichten ... Bruhns, okay, der hatte nicht wenig Feinde, aber warum die Kleine? Was hat sie mit der ganzen Sache zu tun?« »Eine Zeugin, die einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort war? Sie hätte den Täter aller Wahrscheinlichkeit nach identifizieren können, und welcher Täter kann so was schon zulassen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr Tod mit eingeplant war.«
    Henning schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand übers Kinn, wie immer, wenn er nachdachte. »Ist mir zu einfach. Frag mich aber nicht, warum.« »Ich frage dich trotzdem. Warum ist dir das zu einfach?« »Schau dir doch nur diese Drapierung an. Sie war mehr als nur eine Zeugin, sie war meines Erachtens Teil eines perfiden Plans. Wir haben doch schon etliche Tatorte besichtigt, aber wir haben noch nie Tote in einer derart unnatürlichen Stellung vorgefunden. Mir scheint, als habe der Täter sie zur Verhöhnung noch entsprechend hergerichtet - oder er hat es für uns getan.«
    »Was willst du damit sagen?«, fragte Santos mit zusammengekniffenen Augen, als wollte sie in Hennings Gedankenwelt eintauchen. »Denkst du, er hat deswegen mich sprechen wollen?«
    »Kann schon sein. Womöglich hält er sich für einen Künstler und wollte uns zeigen, wie gut er ist. Ich muss offen zugeben, er ist gut. Er muss sich eine Menge Zeit genommen haben, um das so herzurichten, denn so was schafft man nicht in ein paar Minuten. Ich frage mich nur, warum Bruhns grinst und die Kleine so gequält aussieht. Gut, der hat immer irgendwie gegrinst, war ihm vielleicht angeboren. Aber ich habe bis jetzt noch keinen Toten gesehen, der tot noch gegrinst hat. Du?« »Natürlich nicht«, war der einzige Kommentar, den Santos dazu abgab. »Bist du bald fertig mit deiner Analyse?«
    »Gleich«, antwortete Henning und ging mit langsamen Schritten durch den Raum, um den Tatort von allen Seiten zu betrachten. Schließlich zog er sein Telefon hervor und rief in der Kriminaltechnik und anschließend Professor Jürgens von der Rechtsmedizin an. Zuletzt wählte er die Nummer seines Vorgesetzten Volker Harms, erstattete ihm in knappen Worten Bericht und bat ihn, mehrere Beamte der örtlichen Polizei zur Sicherung des Grundstücks anzufordern.
    »Wann kommt unsere Truppe?«, fragte Santos, nachdem Henning sein Handy wieder eingesteckt hatte. »Zwanzig Minuten, halbe Stunde. Jürgens war nicht gerade begeistert, seinen heiligen Sonntag opfern zu müssen. Klang fast so, als würde er noch im Bett liegen, und das nicht allein.«
    »Nicht mein Problem. Wir haben Bereitschaft, er hat Bereitschaft.«
    Henning stellte sich neben Santos, seine mehr oder minder heimliche Lebensgefährtin, bei der er sich die meiste Zeit aufhielt und mit der er sich besser verstand als mit irgendeinem anderen Menschen jemals zuvor. Alles, was er erlebt hatte, dachte er oft, hatte er so erleben müssen, um Lisa zu treffen und irgendwann richtig kennenzulernen. Sie war eine ganz besondere Frau, und er fragte sich bisweilen, ob er das oft genug würdigte, ob er

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