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Eisige Naehe

Eisige Naehe

Titel: Eisige Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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fragte Sören, als er das nachdenkliche Gesicht von Lisa sah, die den Hörer noch immer in der Hand hielt und ins Leere starrte. Sören biss von dem Croissant ab, das er vor nicht einmal einer halben Stunde beim Bäcker um die Ecke geholt hatte, so wie er es jeden Sonntag tat. Croissants, zwei Brötchen, die Sonntagszeitung. Er verbrachte die meiste freie Zeit bei Lisa, obwohl er noch eine eigene Wohnung hatte, ein Überbleibsel aus der schlimmsten und depressivsten Phase seines Lebens. Er versuchte es noch einmal: »Hey, ich habe dich was gefragt. Was ist passiert? Du siehst aus, als wärst du einem Gespenst begegnet.«
    »Peter Bruhns ist passiert«, antwortete Santos mit ernster Miene und nahm wieder Platz, trank von dem Kaffee, der nur noch lauwarm war, und behielt die Tasse in der Hand. »Das war ein anonymer Anrufer. Er wollte mich sprechen und hat gefragt, ob du auch hier bist. Wir ...«
    »Sagtest du Bruhns?«, sagte Henning mit zweifelndem Blick und ließ sein Croissant sinken. »Der Bruhns?« »Scheint so, oder kennst du noch einen anderen Musikproduzenten namens Peter Bruhns? Wir müssen dorthin, ich habe alles aufgeschrieben. Außerdem hast du offensichtlich nicht richtig zugehört«, brauste sie auf. »Er wollte mich sprechen und hat mich gefragt, ob du hier bist.«
    »Kein Witz?«
    »Klang nicht danach, ganz im Gegenteil. Mensch, Sören, er wollte mich sprechen, mich persönlich, hörst du? Warum? Das ist kein Witz, und wenn, dann ein ziemlich übler. Lass uns fahren.«
    »Alles klar, dann wollen wir mal.« Henning erhob sich und wusch sich die Hände, Santos stand bereits an der Tür. »Wie hat er sich angehört?«
    »Keine Ahnung, ich kenne die Stimme nicht. Kann sein, dass er sie verstellt hat. Ich habe ein ziemlich ungutes Gefühl. Der Typ meint es ernst. Es gibt doch kaum jemanden, der meine Privatnummer kennt. Komm, beeil dich, ich habe keine Ruhe, bevor ich nicht Gewissheit habe.« Während der Fahrt sagte Santos, während sie aus dem Seitenfenster guckte: »Ausgerechnet dieser Typ. Ich habe immer geglaubt, einer wie er würde ewig leben. Und er wohl auch.«
    »Vielleicht ist er ja gar nicht tot. Außerdem magst du ihn doch, oder?«, erwiderte Henning mit einem Schmunzeln.
    »Quatsch, solche Typen kann ich nicht mögen, allein schon seine widerlichen Sprüche. Tut mir leid, aber ...«
    »Ist schon gut, ich konnte den Kerl auch noch nie leiden. Seine Wertvorstellungen sind nicht meine.« »D'accord«, antwortete Santos nur. Sie schwieg eine Weile und sagte dann: »Wieso ich? Wieso hat er mich angerufen? Und woher weiß er, dass du bei mir warst? Er muss einiges über uns wissen, sonst hätte er diese Frage doch gar nicht gestellt. Oder wie siehst du das?« »Mag schon sein. Hast du etwa Angst?« »Nein, aber ich darf mir doch wohl Gedanken machen, oder? Ich meine, angesichts unserer Erfahrungen in den letzten Jahren. Vielleicht reagiere ich auch über.« Nach einer halben Stunde hielten sie vor dem angegebenen Haus. Von außen ein eher unauffälliger Bau zwischen ähnlichen Häusern an der Promenade und doch Luxus pur, wovon auch der sündhaft teure weiße Porsche Cayenne und die dunkelblaue Limousine aus einer Edelschmiede vor der Garage zeugten. Eine blickdichte Hecke schützte vor neugierigen Blicken, lediglich durch die schmiedeeisernen Stäbe des Zufahrtstores konnte man einen Eindruck von dem gewinnen, was sich hinter der Hecke befand. Am Tor stand kein Namensschild, nicht einmal die Initialen. Ein Refugium, in dem Bruhns anonym blieb.
    Ein kräftiger, böiger Wind blies von der See, die ohnehin niedrige Temperatur fühlte sich um mindestens fünf Grad kälter an. Lisa Santos schlug den Kragen ihrer Jacke hoch, als sie ausstieg.
    Henning erblickte schon draußen drei selbst für einen großgewachsenen Menschen in unerreichbarer Höhe angebrachte Überwachungskameras, und sicher befanden sich noch mehr davon an anderen Stellen rings um das Haus, dazu wie üblich mehrere Bewegungsmelder und weitere Alarmeinrichtungen. Ein Mann wie Bruhns brauchte so etwas, allein schon, um seine Wichtigkeit gegenüber den Nachbarn, den Medien und der Öffentlichkeit zu demonstrieren. Er hatte eine Menge Feinde, doch bisher war keiner so weit gegangen, Bruhns körperlich anzugreifen oder gar in eines seiner Häuser einzudringen.
     
    Das Tor war nur angelehnt, aber so, dass es aussah, als wäre es geschlossen. Henning drückte es vorsichtig auf, ohne dass Alarm ausgelöst wurde, und lehnte es gleich wieder an.

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