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Eisige Naehe

Eisige Naehe

Titel: Eisige Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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ihr auch wirklich immer zeigte, wie viel sie ihm bedeutete. Sie hatte ihn an der Hand genommen und aus dem finsteren Tal herausgeführt, aus dem er keinen Ausweg mehr für sich gesehen hatte. Dank ihr hatte er das Licht am Horizont gesehen und wieder Lebensmut geschöpft. Ohne Lisa hätte er vermutlich noch immer Akten gewälzt, hätte über sein verkorkstes Leben gebrütet, wäre abends nach Dienstschluss mit dem Fahrrad in seine schäbige Bude in einem schäbigen Viertel gefahren und hätte, wie er es nannte, den Mond vor lauter Weltschmerz angeheult. Er hätte Lisa gerne geheiratet, aber dann würden sie nicht mehr in einer Abteilung zusammen arbeiten dürfen, eigentlich bewegten sie sich jetzt schon am Rande des Erlaubten, doch ihr Vorgesetzter Volker Harms wusste, er konnte sich auf sein beinahe perfekt eingespieltes Team verlassen, vor allem aber wusste er, dass beide Berufliches und Privates sehr wohl voneinander zu trennen vermochten. Wäre es anders, Harms hätte entweder Henning oder Santos einer anderen Abteilung zugewiesen. »Was hältst du davon?«, fragte Henning und deutete auf die Pistole, die neben Bruhns auf dem Boden lag. »Du meinst die Waffe?« Lisa zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Und du?«
    »Man könnte fast auf die Idee eines erweiterten Suizids kommen. Er knallt sie ab, während sie ihm einen bläst, und danach jagt er sich eine Kugel in die Birne, und die Knarre fällt neben ihm auf den Boden. Könnte es so gewesen sein, und der Anrufer ist nur jemand, der die Leichen gefunden hat, sich aber nicht zu erkennen geben will?«
    »Ausgeschlossen ist nichts, aber warum ausgerechnet Bruhns? Der hätte doch im Leben keinen Grund gehabt, so was zu machen - und dann auch noch während seiner Lieblingsbeschäftigung? Ich kann's mir beim besten Willen nicht vorstellen. Der hat Geld wie Heu, die halbe Welt liegt ihm zu Füßen ...« »Oder eine Gespielin kniet vor ihm ...« »Tut mir leid, wenn ich nicht lache, aber mir ist im Augenblick nicht danach. Noch mal: Ich kann mir einen erweiterten Suizid nicht vorstellen. Der hatte doch gestern Abend noch einen Fernsehauftritt, das habe ich irgendwo gelesen.«
    »Woher soll ich das wissen, wir haben uns gestern zwei DVDs angeguckt.«
    »Außerdem hätte der Typ nicht mich, sondern ganz normal die 110 angerufen. Entweder hat er die beiden erschossen, oder er weiß, wer es war.« »Oder er ist vorbeigekommen, um Bruhns zu besuchen, hat die zwei gefunden und ...«
    »Aber ich wurde angerufen, und so, wie der Anrufer klang, scheint er eine Menge über uns beide zu wissen, zum Beispiel, dass wir zusammen sind und du quasi bei mir wohnst. Sören, er hat mich nicht zufällig angerufen, das war gezielt. Er wollte, dass wir beide die Leichen finden. Ich steig nur nicht dahinter, was hier gespielt wird. Ach, das hätte ich beinahe vergessen, er sagte noch, er würde sich wieder bei mir melden.« »Was? Wieso hast du das nicht schon vorhin gesagt?«
    »Mann, ich war total durcheinander.«
    »Also gut, dann versuch, dich zu erinnern. Klang seine Stimme ruhig oder eher nervös?«
    »Ruhig, sehr ruhig.«
    »Und seine Stimmlage?«
    »Schwer zu beurteilen, aber ich würde sagen unauffällig, normal. Nichts Markantes.«
    »Dialekt?«
    »Nein, reines Hochdeutsch. Auch kein Akzent.« »Okay, also kein Ausländer. Und das Alter? Was denkst du?«
    »Seit wann kann man anhand einer Stimme das Alter einer Person bestimmen? Keine Ahnung, er kann zwanzig, aber auch vierzig oder fünfzig gewesen sein. Reicht dir das?«, antwortete sie gereizt. »Schon gut. Woran erinnerst du dich noch?« Santos dachte nach und sagte dann: »Er hat mir ganz klare Anweisungen gegeben. Er scheint es gewohnt zu sein, das Sagen zu haben. Er ist auf keinen Fall jemand, der zufällig auf die zwei Leichen stößt und dann bei mir anruft, sonst wäre er viel nervöser gewesen. Außerdem, woher hätte so jemand meine Privatnummer haben sollen?«
    Santos' Handy klingelte, wieder wurde keine Nummer auf dem Display angezeigt.
    »Ja?«
    »Haben Sie sie gefunden?« »Haben Sie sie umgebracht?«
    »Das herauszufinden überlasse ich gerne Ihnen, meine Liebe. Wie gefällt Ihnen das Bühnenbild? Ich finde es sehr ansprechend und künstlerisch wertvoll. Vielleicht etwas zu pornografisch, aber das gehört ja heute praktisch zum guten Ton. Eine verrohte Welt.«
    »Sie sind pervers. Was wollen Sie wirklich von mir? Sie haben doch nicht den Kontakt zu mir gesucht, nur damit ich Bruhns und seine Geliebte finde.«

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