Eisige Naehe
Sie?«
»Ist das wirklich notwendig?« »Ja. Also, wie viele?«
»Sieben, von denen aber nur Frau Hundt, die uns vorhin die Limonade gebracht hat, ständig hier ist. Die anderen sind zwischen ein- und dreimal pro Woche im Haus oder kümmern sich um die Außenanlagen.« »Wohnt Frau Hundt hier?« »Ja.«
»Dann werden wir uns gleich mit ihr unterhalten. Können Sie uns zu ihr bringen?«
»Kommen Sie«, erwiderte Victoria Bruhns, erhob sich zusammen mit den Beamten und ging vor ihnen durch die Eingangshalle auf die andere Seite. Sie wollte bereits eine Tür öffnen, als Santos sagte: »Nachher möchten wir noch einen Blick in das Studio Ihres Mannes werfen.« »Sagen Sie mir einfach Bescheid, dann bring ich Sie runter. Mein Mann hatte mir zwar strikt verboten, das Studio ohne ihn zu betreten, aber das ist ja nun hinfällig.« »Waren Sie seit seinem Tod im Studio?« »Nein, das ist mir nicht mal in den Sinn gekommen, ich war gar nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.«
Sie öffnete die Tür, doch das Zimmer war leer. Victoria Bruhns runzelte die Stirn, ging wortlos zu einem anderen Zimmer, das ebenfalls leer war, und rief schließlich: »Frau Hundt?«
»Ja? Ich bin hier oben im Bad.«
»Die Kommissare möchten sich mit Ihnen unterhalten, wenn Sie bitte runterkommen würden.« Kaum eine Minute später stand sie vor Henning und Santos, eine großgewachsene, sehr schlanke, unnahbar wirkende Frau. In ihrem hageren Gesicht zeigte sich keine Regung, als Santos sagte: »Wir hätten ein paar Fragen an Sie, es dauert auch nicht lange.«
»Bitte.« Frau Hundt wandte sich an ihre Chefin: »Können wir in die Bibliothek gehen?« »Selbstverständlich. Ich bin bei Pauline, falls was ist.« »Was kann ich für Sie tun?«, fragte die Haushälterin kühl und distanziert, als sie in der Bibliothek mit den deckenhohen Bücherwänden standen. Ein burgunderfarbener Teppichboden schluckte jeden Schritt, darauf standen drei Sessel, ein Tisch und ein Stehpult, alles im englischen Stil, doch Frau Hundt machte keine Anstalten, den Beamten einen Platz anzubieten. Ihre Miene war noch immer wie versteinert, sie strahlte eine eisige Kälte aus, die den ganzen Raum erfüllte.
Santos hatte selten einen Menschen erlebt, in dessen Gegenwart sie sich derart unbehaglich fühlte. Kühl erwiderte sie: »Uns ein paar Fragen beantworten. Wie lange arbeiten Sie schon für die Familie Bruhns?« »Ich bin seit fünfundzwanzig Jahren für Herrn Bruhns tätig. Warum interessiert Sie das?«
»Wir sind von Berufs wegen neugierig. Erzählen Sie uns doch, was für ein Mensch er war. Es gibt vermutlich kaum jemanden, der ihn besser kannte als Sie.«
»Das kann ich nicht beurteilen. Herr Bruhns war stets korrekt und hat sich dem Personal gegenüber sehr positiv verhalten.«
»Damit haben Sie meine Frage nicht beantwortet. Wie war er?«
»Freundlich, kulant, großzügig, mir fällt nichts Negatives ein.«
»Wie war denn Ihr ganz persönliches Verhältnis zu ihm?«
»Es war ein reines Arbeitsverhältnis, falls dies eine Anspielung gewesen sein sollte.«
Kalt wie eine Hundeschnauze, dachte Santos, der Name passt zu dir.
»Es war keine Anspielung, und Sie haben auch wieder nicht auf meine Frage geantwortet. Wenn Sie schon so lange in diesem Haus sind, werden Sie doch gewiss so einiges mitbekommen haben. Nun lassen Sie sich um Himmels willen nicht alles aus der Nase ziehen, sondern beantworten Sie meine Fragen, dann sind Sie uns auch rasch wieder los. Also, was für ein Mann war er, wie hat er sich verhalten, wie oft war er überhaupt hier?« »Es tut mir leid, ich verstehe Ihre Frage nicht.« »Oh, dann verstehen Sie vielleicht, dass ich Ihnen hiermit eine Einladung zum Erscheinen im Präsidium gebe. Morgen früh um Punkt neun erwarte ich Sie bei uns, wo wir uns sehr ausführlich und unter verschärften Bedingungen mit Ihnen unterhalten werden. Hier sind meine Karte und die Zimmernummer. Melden Sie sich am Empfang.«
Frau Hundt überlegte, Santos spürte, wie es in dieser Frau arbeitete. »Herr Bruhns war in letzter Zeit nur selten hier, den Grund dafür kenne ich nicht. Aber es hat wohl mit der Gesamtsituation zu tun.« »Könnten Sie vielleicht etwas konkreter werden?« »Fragen Sie doch seine Frau!«
»Das haben wir bereits getan, wir wollen es aber auch von Ihnen hören. Also?«
»In der Ehe hat es gekriselt, mehr weiß ich nicht.« »Frau Hundt, Sie wissen sehr wohl mehr, denn Sie wohnen und arbeiten hier und sind gewiss über alles
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