Eisige Naehe
nichts machen.«
»Haben Sie kein Kindermädchen?« »Nein. Ich möchte, dass meine Tochter von mir großgezogen wird. Ich bin ihre Mutter, und diese Rolle wird nie jemand anderes übernehmen.«
»Das ist eine gute Einstellung. Wir müssen nun weiter. Vielleicht sehen wir uns morgen bei der Hausdurchsuchung, kommt ganz drauf an, was unser Chef mit uns vorhat. Ach, wir wollten doch noch einen Blick ins Studio werfen. Nur ganz kurz, dann sind wir auch gleich weg.«
Sie gingen ins Untergeschoss, wo Victoria Bruhns eine mit dickem Leder gepolsterte Tür aufschloss und die Beamten an sich vorbeitreten ließ. Sie schaltete das Licht an. »Bitte, Sie befinden sich im Heiligtum meines Mannes.« »Ganz schön bombastisch«, bemerkte Henning anerkennend, als er das Mischpult sah, die Instrumente und Lautsprecher, es gab nicht den geringsten Hall, ein wahrhaft schalldichter Raum.
»Wenn hier unten Musik gemacht wurde, hat man das im restlichen Haus gehört?«, fragte Henning. Victoria Bruhns lachte auf. »Nein, kein Ton hat das Studio verlassen, da konnten die noch so laut aufdrehen. Hier wurden ungefähr zwanzig Zentimeter Dämmmaterial verwendet, an der Decke und den Wänden, das hat mein Mann mir mal gesagt.«
»Und wenn Sie draußen gestanden hätten?«
»Selbst da hörte man kaum was. Aber das ist noch gar nichts gegen das Studio in Altenholz, das ist etwa viermal so groß ... Der blanke Wahnsinn.«
»Dürfte ich Ihnen eine Frage stellen, die sehr privat ist und nichts mit dem Fall zu tun hat?« »Fragen Sie.«
»Wie hoch ist das Vermögen Ihres Mannes?« »Das kann ich Ihnen nicht sagen, ich hatte nie Einblick in seine Konten, grob geschätzt dürfte es sich im dreistelligen Millionenbereich bewegen. Er hat mal so was angedeutet, als er etwas zu viel getrunken hatte.« »Wir haben genug gesehen«, sagte Henning und gab das Zeichen zum Aufbruch.
Sie verabschiedeten sich von Victoria Bruhns, die die Kommissare bis zur Haustür begleitete, selbst aber im Dunkeln blieb, um von den Paparazzi nicht gesehen zu werden.
»Tschüs und danke für Ihre Hilfe. Bereiten Sie sich schon mal auf morgen vor.«
»Ich bin inzwischen einiges gewohnt. Darf ich noch etwas fragen?« »Bitte.«
»Wann kann die Beerdigung stattfinden?« »Sobald die Leiche freigegeben ist. Noch befindet sich Ihr Mann in der Rechtsmedizin, aber ich nehme an, es wird sich nur noch um ein oder zwei Tage handeln. Sie können auf jeden Fall schon alles in die Wege leiten.« »Danke schön. Ich frage mich, wie ich an diesem Abschaum da vorbeikommen soll.«
»Da können wir Ihnen leider auch nicht weiterhelfen.
Augen zu und durch, würde ich sagen«, erwiderte Santos lächelnd.
Im Auto sagte Santos: »Wenn das nur ansatzweise stimmt, dann war Bruhns ein Verbrecher - und vielleicht sogar in einen Mord verwickelt. Das sind wieder Abgründe!«
»Laut Jürgens war die Kleine etwa zwölf, als sie gestorben ist.«
»Da suchen wir wie die Bekloppten und müssen erfahren, dass sie kurz vor ihrem Tod bei Bruhns gewesen ist. Was für ein Schwein! Aber jetzt haben wir wenigstens einen Anhaltspunkt. Wenn das Mädchen tatsächlich einen Tag vor der Geburt von Bruhns' Tochter bei ihm war, dann könnte es auch sein, dass er ihr Mörder ist. Sie war am fünften März bei Bruhns, ihre Leiche wurde am zehnten entdeckt. Vom Zeitfenster her haut das hin.« »Schon, aber Bruhns ein Mörder? Irgendwie kann ich das nicht glauben.«
»Er war auch seiner Frau gegenüber gewalttätig, vergiss das nicht. Solche Typen sind zu allem fähig. Womöglich liegt hier das Motiv, weshalb Bruhns ins Jenseits befördert wurde.«
»Aber warum erst nach einem Jahr? Die Zeitspanne für Rache scheint mir arg groß.«
»Mag sein. Außerdem kann man Gewalt gegenüber seiner Frau nicht mit der Gewalt und der Vergewaltigung eines Kindes vergleichen. Lass uns noch mal die Akten durchgehen und die Details mit Klaus und Volker besprechen, sofern die beiden wieder ansprechbar sind.«
»Hat die Bruhns falsch gehandelt?«, fragte Henning. »Wie hättest du denn an ihrer Stelle gehandelt? Nicht als Mann, sondern als Frau? So unmittelbar vor der Entbindung? Ich glaube, ich hätte auch meinen Mund gehalten. Schau sie dir an, diese Frau ist nicht fünfundzwanzig, die ist innerlich wie fünfzig. Das war Bruhns' Werk.« »Sie hätte uns doch wenigstens einen anonymen Tipp geben können.«
»Was hätte das gebracht? Die hat schon recht, gegen Bruhns wäre nichts unternommen worden. Am Ende wäre sie die
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