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Eisige Naehe

Eisige Naehe

Titel: Eisige Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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für den Drecksack aufgerissen! Über zwanzig Jahre, das muss man sich mal reinziehen. Ich habe mir nie was zuschulden kommen lassen, das können Sie mir glauben, aber Bruhns, die alte Schmeißfliege, war nie zufrieden. Dabei hatte der selbst nicht den blassesten Schimmer von guter Mucke. Seine Scheißlieder taugen gerade mal für die Tonne.« »War's das?«
    »Nee, ich könnt Ihnen Geschichten erzählen, da fällt Ihnen hinterher nichts mehr ein. Ich bin nicht unbedingt der gehässige Typ, aber Bruhns ... Moment mal, jetzt schnall ich das erst, sind Sie von der Kripo?« »Das habe ich doch vorhin gesagt.« »Kripo, Kripo, hm.« Er fuhr sich mit der Hand, die die Zigarette hielt, übers Kinn, unter den langen Fingernägeln stand der Dreck, was den Ekel, den die Kommissare empfanden, noch verstärkte. Santos wandte den Kopf zur Seite, und ihr fiel die sündhaft teure Hi-Fi-Anlage ins Auge, das einzige Teil in der Wohnung, das nicht verdreckt war, High-End-Geräte und -Boxen, die ein halbes Vermögen gekostet haben mussten. Ein paar funkelnde Diamanten unter Kohlenstaub.
    »Sag mal, ihr kommt doch nur, wenn jemand abgemurkst wurde. Wurde Bruhns abgemurkst?« »Ja, so kann man es auch nennen.«
    »Wow, darauf muss ich glatt einen Schluck trinken.« Er nahm eine halbvolle Flasche Wodka vom Boden und setzte sie an, nahm einen langen Schluck, rieb sich mit der Handfläche über den Mund und stellte die Flasche wieder neben den Sessel. »Hat's ihn also endlich erwischt, dieses arrogante, verkommene Arschloch. Tut mir leid, aber sollten Sie Trauer erwarten, muss ich Sie leider enttäuschen, denn in mir tanzt im Augenblick die Freude Rock 'n' Roll.« »Und warum keine Trauer?«
    »So wie der mich behandelt hat, kann ich nicht traurig sein. Nicht nur mich hat er behandelt wie den letzten Dreck. Sie hätten mal dabei sein sollen, wenn er mit seinen sogenannten Stars im Studio war, der hat nur rumgebrüllt und mit Zeugs um sich geschmissen, dass ich ihn manchmal dafür hätte erschlagen können. Was glauben Sie, wie viele von seinen Mädels einem Nervous Break-down, um mal die Stones zu zitieren, nahe waren, wenn er sie mal wieder runtergeputzt hat. Aber zum Vögeln waren sie alle gut genug.«
    »Haben Sie's getan?«, fragte Henning geradeheraus. »Ich? Sind Sie bescheuert? Warum, nur weil er mich gefeuert hat? Ich bin doch nicht blöd.« »Na ja, es gab schon geringere Gründe, jemanden kaltzumachen. Wo waren Sie am Samstagabend?« »Wo soll ich schon gewesen sein, hier natürlich.« »Zeugen?«
    »Hey, ist das ein Verhör oder was?«
    »Nein, nur eine Befragung. Was ist nun, gibt's Zeugen oder nicht?«
    »Nee, hier war schon ewig keiner mehr. Ich hock hier rum, baller mir die Birne zu und unterhalt mich mit der Glotze, ist ja sonst niemand da.« »Haben Sie wieder einen Job?«
    »Nee, Sie sehen ja selbst, wie ich drauf bin, da nimmt mich keiner. Ich komm aber noch ganz gut über die Runden.«
    »Warum sind Sie gefeuert worden?«, wollte Santos wissen. »Es muss doch mehr vorgefallen sein als eine falsche Abmischung.«
    Weidrich lachte auf, bekam einen Hustenanfall und erwiderte, nachdem er wieder sprechen konnte: »Gut erkannt, Frau Kommissarin. Ist aber 'ne lange Geschichte. Wollen Sie die wirklich hören?« »Sonst hätte ich nicht gefragt.«
    »Wenn ihr's abkönnt. Bruhns war kein Heiliger, wenn ich das Arschgesicht nur im Fernsehen gesehen hab, habe ich 's große Kotzen gekriegt. Von wegen tolle Ehe und seine wilde Zeiten wären vorbei. Einen Scheißdreck waren die. Ich kenn Bruhns seit über zwanzig Jahren, der hat alles gevögelt, was nur den Ansatz von Titten hatte. Na ja, nicht alles, älter als fünfundzwanzig durften sie nicht sein. Eher achtzehn oder zwanzig. Das war so seine Kragenweite. Wenn ihm eine besonders gut gefiel, dann hat er auch mal 'ne Platte mit ihr gemacht. Aber erst mal war Vögeln angesagt, und wenn das gut gelaufen ist, dann war auch die Platte kein Problem.« »Haben Sie sich darüber geärgert?« »Nee, war mir scheißegal, wo der überall seinen Schwanz reingesteckt hat, bloß, ahm ...«
    Weidrich stockte, kratzte sich am Kinn und griff erneut zur Flasche, es schien ein Ritual zu sein, der Griff, das Ansetzen, der lange Zug, das Wischen über den Mund, das Abwischen des Handrückens an der Hose und schließlich die Flasche wieder auf den Boden stellen. Er zögerte und wollte schon wieder zum Wodka greifen, als Santos ihn mit einer Frage davon abhielt.
    »Bloß was? Was wollten Sie noch sagen?«

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