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Eisige Naehe

Eisige Naehe

Titel: Eisige Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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werden. Scheiße, Mann, gar nichts werden die, höchstens billige Huren, die sich für jeden Scheiß verkaufen.« Weidrich verzog den Mund zu einem Grinsen. »Wann haben Sie Bruhns das letzte Mal gesehen?«, fragte Santos.
    »Weiß nicht so genau, aber das dürfte so vor drei Wochen gewesen sein. Warum?«
    »Und wo? Waren Sie bei ihm, oder kam er zu Ihnen?« »Weiß nicht mehr.«
    »Ach, kommen Sie, Sie erzählen uns hier alles aus den letzten Jahren, und was vor ein paar Wochen war, daran wollen Sie sich nicht mehr erinnern? Versuchen Sie nicht, uns für dumm zu verkaufen. Also, raus mit der Sprache.« Weidrich wirkte auf einmal unsicher, er wich dem Blick der Beamten aus und griff automatisch zur Flasche, der einzige Halt, den er noch hatte.
    »Hey, lassen Sie mal die Flasche stehen, Sie können weitertrinken, sobald wir gegangen sind«, forderte Santos ihn auf.
    »Ich kann in meinem Haus machen, was ich will. Und ich nehme jetzt einen Schluck, dann fällt mir vielleicht auch wieder ein, was vor drei Wochen war«, antwortete er und vollzog sein Trinkritual.
    »Und, ist es Ihnen eingefallen?«
    »Bruhns hat mich angerufen und um ein Treffen gebeten. Er hat gemeint, er könnte mich unter Umständen wieder gebrauchen. Er kam dann zu mir und bat mich um einen Gefallen, danach könnte ich wieder bei ihm anfangen. Ich hab gedacht, ich hör nicht richtig, aber der hat das ernst gemeint.«
    »Was für einen Gefallen?«
    »Keine Ahnung, ehrlich. Ich sollte was für ihn erledigen,
    vor einer Woche. Dann hat er sich aber wieder gemeldet und gemeint, die ganze Sache würde sich verschieben. Ich schwör's, er hat mir nicht gesagt, worum es geht. Er hat ziemlich geheimnisvoll getan.«
    »Wann hat er sich bei Ihnen gemeldet?«
    »Letzten Dienstag.«
    »Wann war der neue Termin?«
    »Weiß nicht, hat er nicht gesagt.«
    Henning fixierte Weidrich, bis der den Kopf zur Seite drehte. Henning nickte stumm und fragte dann: »Warum lügen Sie uns an?« »Was meinen Sie?«
    »Diese Geschichte eben, das war erfunden. Bruhns hat Sie nicht kontaktiert, warum auch hätte er das tun sollen? Also noch mal, warum lügen Sie uns an?« Schweigen.
    »Herr Weidrich, was soll das? Wir sind nicht zum Spaß hier.«
    Weidrichs Augen glühten für einen kurzen Moment wie Kohlen, doch schnell kehrte der lethargische Ausdruck zurück.
    »Dieser verdammte Bastard!«, brüllte Weidrich auf einmal wie ein verwundetes Raubtier. »Dieser gottverdammte Bastard!« Er ballte die Fäuste und haute damit auf die Sessellehnen, dass Henning fürchtete, der Sessel würde gleich auseinanderfallen. »Ich war zweiundzwanzig Jahre sein Lakai, aber ohne mich hätte er den Laden doch überhaupt nicht schmeißen können! Er hat die Weiber alle abgekriegt, mich haben sie nicht mal mit dem Arsch angeguckt. Der hat alles gehabt, und ich? Wo bin ich geblieben? Ich habe ihm doch erst gezeigt, wie so ein Studio funktioniert, wie man ein Mischpult richtig bedient, ich habe ihm beigebracht, welche Mischung für den jeweiligen Song die richtige ist.« Sein ganzer Körper zitterte vor Aufregung, als er weitersprach: »Was er kann, hat er von mir gelernt. Was habe ich bekommen? Als Dank einen Tritt in den Arsch und fünfzigtausend Euro hinterhergeschmissen, die er aus der Portokasse genommen hat. Nur weil ich ihm ein paarmal gesagt hab, dass ich das nicht gut finde, wenn er mit Minderjährigen rumfickt. Nee, eigentlich nur, weil ich an einem Tag ins Studio gekommen bin, an dem er mich nicht erwartet hatte. Dieser gottverdammte Hurensohn! Der hat jeden Monat ein paar Millionen verdient, mir hat er viertausend gezahlt ... Alles, aber auch wirklich alles hat dieser Saukerl gehabt, Weiber, Geld, Erfolg, alles, alles, alles!!!«, schrie Weidrich mit weinerlicher Stimme und saß da wie ein Häufchen Elend, ein Elend, das, wie es schien, sein Leben seit vielen Jahren beherrscht hatte. Tränen liefen ihm über das Gesicht, doch es war, als würde er es gar nicht bemerken.
    »Können Sie sich vorstellen, wie das ist, wenn das Studio, in dem man sein halbes Leben fast jeden Tag gearbeitet hat, das wie ein Zuhause war, gerade mal um die Ecke liegt? Du gehst jeden Tag dran vorbei und weißt, ey, vergiss es, du hast keine Chance mehr, da reinzukommen. Das ist das beschissenste Gefühl überhaupt. Ich bin jetzt einundfünfzig, und da ist der Zug abgefahren. Ich hatte in den letzten Jahren ein paar Angebote von anderen Produzenten, die wussten, wie gut ich bin, aber ich hab sie alle ausgeschlagen.

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