Eisige Naehe
etwas gefasst. Vermutlich werdet ihr sehr bald von dem Fall abgezogen. Seid also vorsichtig, das ist der einzige Rat, den ich euch geben kann.« »Werden wir sein. Nochmals danke und einen schönen Abend.«
»Den werde ich nicht haben, Bereitschaft, wenn ihr versteht. Vielleicht bis bald.«
Santos drückte auf Aus und sah Henning an. War sie eben noch müde und erschöpft gewesen, so war sie nun hellwach.
»Die Steinbauer war also kein zufälliges Opfer, sondern wurde gezielt umgebracht«, murmelte Henning. »Was hat sie gemacht, und woher hatte sie die viele Kohle?« »Ich hoffe, das finden wir noch raus, bevor auch wir von dem Fall abgezogen werden. Ich krieg das nicht auf die Reihe: Bruhns ist pädophil, vögelt mit einer Achtzehnjährigen, die Geld hat wie Heu, beide werden in Bruhns' Villa umgebracht ... Was hat sie miteinander verbunden? Von Bruhns hat die Steinbauer das Geld ganz gewiss nicht bekommen, irgendwo habe ich mal gelesen, dass er ein richtiger Geizkragen gewesen sein soll. Was also?«
»Wühlen wir doch einfach ein bisschen im Dreck«, bemerkte Henning trocken. »Aber nicht mehr heute, ich bin zu müde.«
»Mir kommt da eine Idee: Könnte Volkers Verhalten damit zusammenhängen, dass man ihm gesagt hat, bis hierher und nicht weiter, und er sich nur nicht traut, uns das zu sagen? Vielleicht hat ihm Rüter schon gestern unter vier Augen entsprechende Anweisungen gegeben, und deshalb hat sich Volker heute Morgen so seltsam benommen, als wir ihn auf die DNA angesprochen haben? Wir hatten doch bisher immer ein hervorragendes Verhältnis zu ihm, aber seit heute ist er wie ausgewechselt. Was meinst du?«
»Es wäre zumindest eine Erklärung. Fragen wir ihn doch morgen einfach mal. Jetzt lass uns schlafen gehen, ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten.« Kurz darauf gingen sie zu Bett, wünschten sich eine gute Nacht und drehten sich zur Seite. Doch weder er noch sie fanden Schlaf. Der Anruf aus Düsseldorf beschäftigte beide, ohne dass sie darüber sprachen. Erst in den frühen Morgenstunden schliefen sie ein, um bereits zwei Stunden später geweckt zu werden. Sie hatten eine miserable Nacht hinter sich, und wie es aussah, würde der Tag nicht anders werden. Es sei denn, es geschah ein Wunder. Aber weder Henning noch Santos glaubten an Wunder, dazu waren sie schon zu lange bei der Polizei.
MONTAG, 19.45 UHR
Hans Schmidt hatte den Tag bei jenem Klienten zugebracht, der seine Machiavelli-Werke auf deren Echtheit untersuchen lassen wollte. Dafür hatte er einen Koffer mit allerlei Utensilien mitgebracht, mit deren Hilfe er unter anderem das Alter des Papiers und der Tinte bestimmen konnte. Gegen 17.30 Uhr war er zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei beiden Büchern um Originale handelte, die ein Vermögen wert waren. Woher die Bücher stammten, wollte der Besitzer nicht verraten, im Grunde interessierte es Schmidt auch nicht. Er verabschiedete sich, fuhr zu seinem Haus und machte sich frisch, denn er hatte noch einen wichtigen Termin. Er zog sich um und veränderte sein Äußeres derart, dass ihn niemand als Hans Schmidt erkennen würde. Er fuhr zu einem Treffpunkt in der Nähe des Hauptbahnhofs, wo er in einen schwarzen Lieferwagen stieg, der von innen komplett abgedunkelt war, so dass Schmidt und fünf weitere Männer, die mit ihm im hinteren Teil des Wagens saßen, nicht wussten, wohin es ging. Während der etwa zwanzigminütigen Fahrt wurde kein Wort gewechselt, nicht einmal der Fahrer und der Beifahrer sagten einen Ton. Schließlich hielt der Wagen, die Hecktür wurde geöffnet, und die Männer stiegen aus. Schweigend bewegten sie sich auf eine alte Villa zu, die im Dunkeln lag. Die nächsten Häuser standen zu weit weg, als dass einer der Nachbarn etwas wahrgenommen hätte. Die auto- und menschenleere Straße befand sich in gut fünfzig Metern Entfernung.
Nachdem sie das Haus betreten hatten, ging das Licht an, doch vor allen Scheiben hingen schwarze Vorhänge, so dass kein Lichtstrahl nach außen drang. Immer noch schweigend begaben sie sich in den ersten Stock und wurden in einen etwa sechzig Quadratmeter großen Raum geführt, dessen Fußboden aus poliertem Marmor bestand, auf der einen Seite lag ein etwa acht Meter langer und zwei Meter breiter Flokatiteppich, der neben dem edlen Interieur wie ein Fremdkörper wirkte. Noch waren die Männer und die beiden bulligen Aufpasser allein in dem Raum, doch bereits kurz darauf hörte man Stimmen. Achtzehn spärlich bekleidete Frauen
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