Eisige Naehe
recht?«
Weder Santos noch Henning antworteten, mit einer derart scharfen Analyse hatten sie nicht gerechnet. »Ich habe also recht. Um die Sache abzukürzen, nein, es gibt keinen und es gab auch nie einen anderen Mann. Fragen Sie Frau Hundt, sie weiß über mein Leben besser Bescheid als ich selbst. Die hat in den letzten Jahren wie ein Schießhund auf mich aufgepasst, aber damit ist jetzt Schluss. Mit dem Tod meines Mannes ist auch ihre Aufgabe in diesem Haus beendet. Das ist meine kleine Rache an dieser Giftspritze. Mehr habe ich nicht zu bieten. Aber bitte, es steht Ihnen frei, mein Leben zu durchforsten, Sie werden nichts finden. Ich habe keinen Geliebten, und ich habe mit dem Tod meines Mannes nicht das Geringste zu tun. Wobei Sie natürlich sagen könnten, dazu braucht man keinen Geliebten, Hass alleine genügt. Aber glauben Sie mir, ich könnte niemals jemanden so hassen, dass ich ihn töten würde.« Sie hielt inne, ihr Blick ging an Santos vorbei, bevor sie fortfuhr: »Doch, es gibt schon eins - wenn er sich an unserer Tochter vergangen hätte. Ich denke, dann hätte ich ihn umgebracht. Haben Sie sonst noch Fragen?«
»Ja. Wir waren bei Herrn Weidrich, der uns Ihre Geschichte von dem Mädchen bestätigt hat, weshalb er von Ihrem Mann gefeuert wurde ...« »Ich verstehe nicht ganz ...«
»Diese Nele, Weidrich hat sie auf dem Foto wiedererkannt. Er behauptet, Nele sei nicht das einzige Kind gewesen, an dem sich Ihr Mann vergangen hat. Deshalb noch einmal die Frage, wussten Sie von den pädophilen Neigungen Ihres Mannes?«
»Das mit Nele war eindeutig, und ich dachte mir, wenn er es mit ihr macht, dann bestimmt auch mit anderen Mädchen. Aber ich hatte nicht den geringsten Beweis. Doch ich kann es mir durchaus vorstellen. Wenn er das wirklich getan hat, dann hat er den Tod mehr als verdient. Wenn ich geahnt hätte, mit was für einem Monster ich mich einlasse, ich hätte ihn niemals geheiratet. Anfangs hat er sich mir gegenüber ganz anders verhalten, aber das habe ich Ihnen ja alles schon erzählt. Allmählich wird mir klar, dass er mich nur als Alibi benutzt hat, um seine Schweinereien zu begehen.« »Was meinen Sie damit?«
»Ganz einfach, er heiratet mich, die Medien berichten wochenlang darüber, über die heile Welt, in der der große Bruhns lebt, über seine entzückende, liebreizende Frau, und alles ist in bester Ordnung. Während seine Fans ihn vergöttern, missbraucht er kleine Mädchen. Und ich Dummerchen merke nichts von alledem, nur das eine Mal vor einem Jahr. Aber da war unsere Ehe ohnehin kaum noch das Papier im Stammbuch wert. Wenn das alles vorüber ist, werde ich Pauline nehmen und weggehen, irgendwohin, wo ich hoffentlich vergessen kann. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
»Nein, entschuldigen Sie die Störung«, sagte Santos und gab Henning das Zeichen zum Aufbruch. »Wir werden Sie vorerst nicht mehr behelligen.«
»Sie dürfen kommen, so oft Sie wollen, ich bin nicht nachtragend. Ich weiß ja, Sie machen auch nur Ihren Job. Ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken.« »Danke. Ach, eine Frage noch, wenn Sie gestatten: Wie hat Frau Hundt denn auf die Kündigung reagiert? Oder haben Sie's ihr noch gar nicht gesagt?« »Ich werde es tun, sobald Pauline im Bett ist. Es wird mir ein Vergnügen sein, das können Sie mir glauben.« »Sie war doch aber mehr als zwanzig Jahre ...« »Dreiundzwanzig Jahre, um genau zu sein.« »Dann hat sie Kündigungsschutz.« »Na und? Ich werde ihr eine Wohnung besorgen und ihr so lange das Gehalt bezahlen, bis die Kündigung rechtswirksam ist. Aber ich will diese Frau nicht einen Tag länger in meinem Haus haben.«
Santos legte eine Hand auf die Schulter von Victoria Bruhns und sagte leise: »Ich kann Sie verstehen. Toi, toi, toi.«
»Danke.«
»Noch etwas: Ihr Mann war dreimal vor Ihnen verheiratet. Könnten seine Ex-Frauen von seinen Neigungen gewusst haben?«
»Keine Ahnung, seine letzte Scheidung liegt fast zehn Jahre zurück, er hat mit fünfundzwanzig das erste Mal geheiratet, die Ehe hielt gerade mal zwei Jahre, dann mit neunundzwanzig und noch mal mit siebenunddreißig. Zu den Zeiten war er noch nicht so prominent und hatte meines Wissens auch keine Beziehungen zu einflussreichen Personen. Ich kann es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen.« »Wissen Sie, wo die Frauen wohnen?« »Nein, tut mir leid, da kann ich Ihnen wirklich nicht weiterhelfen.«
MONTAG, 18.35 UHR
Henning und Santos drängten sich wieder durch die Reporter
Weitere Kostenlose Bücher