Eisige Naehe
genügen.«
Santos wurde zunehmend nervöser und zugleich wütend, ohne das nach außen zu zeigen. »Aber es wurde doch immer von einer Frau als Täterin gesprochen, bis das mit den verseuchten Wattestäbchen ...« »Ich wiederhole meine Frage: Glauben Sie an den Weihnachtsmann? Oder glauben Sie immer alles, was Sie im Fernsehen sehen oder in der Zeitung lesen?« »Nein, natürlich nicht, ich habe schon bei der Pressekonferenz meine Zweifel angemeldet.«
»Gut, denn die Zweifel sind berechtigt. Ich hoffe, Sie haben sich nicht damit abgefunden, nur kleine Bullen zu sein, die einem Staatsanwalt oder einer noch höheren Autorität wie dem Innenminister bedingungslos zu gehorchen haben. Natürlich verstehe ich, dass man einer Autorität Respekt entgegenbringen sollte, das war immer so und wird immer so sein, sonst wird man den Löwen vorgeworfen. Ich genieße den Vorteil, dass man mich niemandem mehr vorwerfen kann, nur noch der Erde ... Aber ich schweife schon wieder ab, und ich will Ihre Zeit nicht vergeuden. Vergessen Sie alles, was Sie bisher über das Phantom, die unbekannte weibliche Person, die Wattestäbchen und die Latexhandschuhe gehört und gelesen haben. Diese unbekannte weibliche Person hat es nie gegeben, es war nur ein kleines Spielchen, das der Täter bei seinen Morden gespielt hat. Harmlos und doch irgendwie effektiv. Es hat uns natürlich nicht gefallen, aber wir haben ihn gewähren lassen, was hätten wir schon tun können, er ist auch für uns ein Phantom. Dann begannen die Medien, die Sache aufzubauschen und mit wilden Theorien um sich zu werfen, irgendwann hat die Abstimmung zwischen Politik, Polizei und Medien nicht mehr gepasst, also musste eine Lösung gefunden werden. Das Resultat war diese unsägliche Pressekonferenz ... Für die Medien und die Bürger genau das, was sie brauchten.«
»Moment, aber diese DNA wurde doch auch an Orten sichergestellt, wo keine Morde begangen wurden«, warf Henning ein.
»Ja und? Die DNA wurde in Lauben gefunden, in die eingebrochen wurde, an Türrahmen, in einer Schule, in die ebenfalls eingebrochen wurde, dort übrigens an einer Coladose, an diversen anderen Tatorten, wo keine Menschen zu Schaden gekommen sind, aber auch an Tatorten, wo Lieschen Müller ermordet wurde. Man ließ das Gerücht verbreiten, es mit einer Beschaffungstäterin zu tun zu haben, die Geld brauchte, um ihre Drogensucht zu finanzieren. Klingt plausibel, wäre da nicht die unglaubliche Präzision, mit der gewisse Morde ausgeführt würden. Eine Drogensüchtige als kaltblütige, organisiert und planvoll vorgehende Mörderin? Höchst unwahrscheinlich, aber wer macht sich darüber schon Gedanken?« Albertz zündete sich die fünfte Zigarette an, lehnte sich entspannt zurück und fuhr fort: »Hat man die DNA in Lauben, an einer Coladose oder irgendwo sonst gefunden? Was glauben Sie?« »Warum nicht?«, antwortete Santos zögernd. »Ja, warum eigentlich nicht? Haben Sie die Coladose gesehen oder irgendeinen anderen DNA-Beweis? Nein, haben Sie nicht, weil es keinen einzigen dieser Beweise gibt. Pure Erfindung, so wie die getürkten Beweise bei Westermann, Kobert und Zeunig. Die DNA wurde ausschließlich an Tatorten sichergestellt, wo unser Auftragskiller tätig war. Nirgendwo sonst, darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Streichen Sie alles aus Ihrem Gedächtnis, was mit dieser DNA zu tun hat, denn wie heißt es so schön: Gebt dem Volk Futter, benutzt dazu die Medien - und schon bald herrscht Ruhe. So läuft es seit Menschengedenken. Oder fragt nach zwei Wochen noch jemand, ob da was nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könnte? Zwei Wochen sind heutzutage eine verdammt lange Zeit, in der so unglaublich viel passiert, da gibt es wahrhaft Wichtigeres als eine solche Lappalie.«
»Aber warum die DNA einer Frau?«, wollte Santos wissen.
»Sein Spiel. Lassen wir ihm doch den Spaß, er ist schließlich ein hochintelligenter Mensch. Wo immer er diese DNA herhat, es ist sein Geheimnis und wird es wohl auch bleiben. Ich bleibe dabei, es ist sein Spiel, und er hat seinen Spaß daran.«
»Er ist ein eiskalter Killer, und Sie bringen das mit Spaß in Verbindung? Das ist nicht Ihr Ernst, oder?« »Sie haben nicht richtig zugehört, wie mir scheint. Sie dürfen ihn nicht mit einem x-beliebigen Mörder vergleichen, denn das ist er nicht. Seine Opfer sind fast ausschließlich Täter, die selbst Menschenleben auf dem Gewissen haben. Womit wir wieder bei Bruhns wären ...« »Und die Steinbauer? Haben Sie
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