Eisige Naehe
Sie bitte, ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen.« »Wie kommen wir an diese Leute ran?«, ließ Henning nicht locker.
»Gar nicht. Das heißt, es gibt schon Wege, nur, es ist wie in einem Labyrinth, in dem man den richtigen Weg finden muss, um nicht verlorenzugehen. Machen Sie's wie Theseus, nehmen Sie einen Faden, wie er ihn von Ariadne bekommen hat, als er auf der Suche nach dem Minotaurus war. Der Faden hat ihm und seinen Gefährten das Leben gerettet. Es liegt an Ihnen, wagen Sie sich in das Labyrinth, oder wollen Sie so weitermachen wie bisher? Sie können es schaffen, denn das Phantom ist nur ein Mensch. Auf Wiedersehen oder, besser, adieu.« »Warum sollen wir ausgerechnet in Frankfurt anfangen?«, sagte Henning, ohne sich von der Stelle zu rühren. Albertz seufzte auf. »Sie geben wohl nie auf, was? Aber gut, ich will Ihre Hartnäckigkeit honorieren, denn nur so gelangen Sie ans Ziel. Nach meinen Erkenntnissen fing alles in Frankfurt an, meines Wissens 1984. Es begann mit dem Mord an einem Immobilienmogul, der zusammen mit seiner minderjährigen Geliebten, einem jungen Ding aus dem Osten, in seinem Landhaus erschossen wurde.
Auch er pflegte intensive Kontakte zum organisierten Verbrechen, wovon die Öffentlichkeit natürlich nie etwas erfuhr. Von dem Täter fehlt bis heute jede Spur, aber vieles deutet darauf hin, dass seine Frau unser Phantom angeheuert hat, um ihren Mann beseitigen zu lassen. Meinen Informationen zufolge besitzt sie eine Wohnung oder ein Haus in Kiel. Die Parallelen zum Fall Bruhns sind nicht zu übersehen, ich meine, was die Pädophilie betrifft.« »Und der Name der Frau?«
»Ein bisschen Arbeit möchte ich Ihnen schon überlassen. Jetzt verschwinden Sie endlich, ich bin sehr, sehr müde und erschöpft.«
»Danke für Ihre Hilfe«, sagte Henning und reichte Albertz die Hand.
»Danken Sie nicht mir, danken Sie Ihrem Freund und Gönner. Ohne ihn wären wir uns nie begegnet.« »Ich würde gerne wissen, wer er ist ...« »Das werden Sie noch zur rechten Zeit erfahren.« »Nur noch eine letzte Frage, dann sind wir weg: Wie konnten Sie das alles mit Ihrem Gewissen vereinbaren? Entschuldigen Sie, aber Sie waren in kriminelle Aktivitäten verwickelt oder zumindest eingeweiht. Wie kommt man damit klar, ohne durchzudrehen?« »Sie haben recht, und das werde ich mir nie verzeihen. Aber es ist zu spät, jetzt noch Reue zu zeigen, viel zu spät. Ich hoffe nur, ich konnte Ihnen helfen und damit etwas Gutes tun, bevor ich den Weg alles Irdischen gehe. Auf Wiedersehen.«
Henning und Santos gingen zu ihrem Wagen, der Himmel war grau und trist, es hatte die halbe Nacht über geregnet und gestürmt. Doch weder Henning noch Santos nahmen das wahr, zu sehr hatte sie das Gespräch mit Albertz mitgenommen.
Erst im Auto fragte Santos: »Wer hat Albertz informiert? Wer ist unser Freund und Gönner?« »Interessiert mich nur am Rande. Ich dachte, wir hätten schon in alle Abgründe geblickt, und dann stellt sich mit einem Mal raus, dass es noch viel mehr Abgründe gibt. Das ist mir alles zu viel.«
»Halt an, ich muss noch mal rein«, sagte Santos plötzlich.
»Du kommst da nicht mehr rein, das Haus ist gesichert wie Fort Knox.«
»Lass es mich trotzdem versuchen. Bitte.«
»Was versprichst du dir davon? Aber gut, dein Wille ist mir Befehl.«
Er legte den Rückwärtsgang ein und fuhr zurück, Santos stieg aus und betätigte die Klingel. Es dauerte nur Sekunden, bis sie das Tor aufdrücken konnte. Mit schnellen Schritten lief sie zum Haus, Albertz stand in der Tür, ein mildes, fast väterliches Lächeln auf den Lippen. »Da hat mich meine Menschenkenntnis doch nicht getrogen.«
»Inwiefern?«, fragte Santos verwirrt. »Ich habe Sie die ganze Zeit über beobachtet, auch wenn Sie's vielleicht nicht bemerkt haben, aber ich dachte mir, diese Frau ist neugierig und lässt sich nicht so einfach abspeisen. Bitte, treten Sie ein.«
»Danke«, sagte eine etwas überrumpelte Lisa Santos und spürte, wie sie rot wurde, was Albertz wieder mit einem unergründlichen Lächeln quittierte. »Möchten Sie etwas trinken? Einen Whiskey zur Entspannung oder einen Wodka? Ich werde mir einen genehmigen.«
»Einen Whiskey, auch wenn ich im Dienst bin.« »Mit Eis?«
»Ja, bitte«, antwortete sie und merkte, wie sie ihre Sicherheit zurückgewann.
Albertz gab Eiswürfel in die Gläser, schenkte ein und reichte Santos ein gutgefülltes Glas. Sie drehte es in der Hand, betrachtete den älteren Herrn genau, hob das Glas und
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