Eisige Naehe
länger zu machen. Vielleicht kommt mein Krebs ja davon, dass ich zu lange mit dem Dreck zu tun hatte, wer weiß? Aber das spielt nun keine Rolle mehr.« Er verzog den Mund, atmete tief durch und steckte sich eine weitere Zigarette an. »Westermann, Kobert und Zeunig, das waren genau solche Opfer wie Weidrich, mit dem Unterschied, dass sie einen scheinbar ordentlichen und fairen Prozess bekommen haben und man sie nicht gleich umgelegt hat. Jeder von den dreien war wegen Mordes angeklagt, die Opfer kamen aus den allerbesten Kreisen, sprich Geld, Macht, Einfluss und unendlich viel Dreck am Stecken. Bei Westermann war ich sogar dabei, als wir ihn aus der Wohnung holten und getürkte Beweise hinterließen, die ihn so eindeutig belasteten, dass nicht einmal der beste Anwalt der Welt ihn da hätte raushauen können. Es waren reine Schauprozesse, bei denen die Angeklagten nicht den Hauch einer Chance hatten. Ich war bei jedem Prozess vom ersten bis zum letzten Tag anwesend, und ich versichere Ihnen, dort ging nichts mit rechten Dingen zu. Alles war abgesprochen. Die armen Kerle auf der Anklagebank wussten nicht, wie ihnen geschah, alles sprach gegen sie.«
»Und das haben Sie mitgemacht?«
»Ich weiß, Sie werden mich dafür verachten, aber ich hatte so wenig eine Wahl wie die drei. Sagen Sie mir, was hätte ich tun können? Mich gegen Anweisungen auflehnen, die nicht einmal aus der Dienststelle, sondern von noch weiter oben kamen? Ich hatte nicht den Mumm, obwohl oder weil ich schon so lange bei der Truppe war. Außerdem, hätte ich mich aufgelehnt oder wäre ich gar ausgestiegen, was, glauben Sie, hätte man mit mir gemacht? Mich einfach gehen lassen? Vergessen Sie's, wer über so viel Insiderwissen verfügt wie ich, kann sich nicht einfach aus der Familie verabschieden.« Santos meldete sich wieder zu Wort: »Ich kann mich erinnern, dass die Beweise gegen die drei geradezu erdrückend waren ...«
»Frau Santos, machen Sie die Augen auf und glauben Sie nicht alles, was man Ihnen vorsetzt. War ich eben nicht deutlich genug? Keiner von ihnen hatte auch nur die geringste Schuld auf sich geladen, keiner von ihnen war vorbestraft, sie waren das, was man unbescholtene Bürger nennt. Ihr Problem war, sie kannten die Opfer sehr gut, es gab sogenannte Zeugen, die beeideten, dass es Streitereien untereinander gegeben habe et cetera pp. Dass die Zeugen gekauft waren, wussten nur wenige Eingeweihte. Die Angeklagten wurden jeweils zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt. Westermann und Zeunig haben sich vor zwei beziehungsweise drei Jahren im Knast das Leben genommen, das ist jedenfalls die offizielle Version, meine Informationen lauten anders. Sie wurden umgebracht, weil sie keine Ruhe gaben. Kobert ist noch im Gefängnis und hält still, er hat sich mit seinem Schicksal abgefunden. Dennoch wird er im Knast verrecken, es sei denn, er ist eines Tages so gebrochen, dass von ihm keine Gefahr mehr ausgeht, so wird man es zumindest der Öffentlichkeit verkaufen. Die Morde, die man ihnen zur Last gelegt hat, wurden von demselben Mann verübt, der auch Bruhns und dessen Geliebte umgebracht hat. Die Morde geschahen in einem Abstand von nicht einmal einem halben Jahr, aber man brauchte für jeden Mord einen anderen Täter, denn alle drei Morde wurden mit unterschiedlichen Waffen verübt. Es durfte ruhig der nette Mann von nebenan sein, egal, um den ist es ja nicht schade.«
»Das klingt aber sehr nach Verschwörungstheorie ...« Albertz lachte kehlig auf. »Ich habe dreißig Jahre lang mit Verschwörern zusammengearbeitet, ich weiß, wovon ich spreche.«
Santos schürzte die Lippen. »Wenn wir hier schon so offen reden, dann können Sie uns doch bestimmt auch etwas zu den verseuchten Wattestäbchen sagen, oder?« Albertz lachte wieder auf und schüttelte den Kopf. »Frau Santos, glauben Sie an den Weihnachtsmann? Oder den Osterhasen? Falls ja, dann glauben Sie auch, was der Innenminister am Freitag verkündet hat ...« »Ja, aber Bruhns und die Steinbauer wurden doch Ihren Angaben zufolge von einem Auftragskiller getötet. Der hat am Tatort jedoch eine weibliche DNA hinterlassen. Können Sie uns das erklären?«
»Sehr gerne. Mir ist natürlich auch zu Ohren gekommen, dass man die DNA gefunden hat...« »Wie ist Ihnen das zu Ohren gekommen? Es gibt meines Wissens nur zwei Personen, die davon Kenntnis haben.« »Frau Santos, setzen Sie Ihre rosarote Brille ab. Es gibt nicht nur zwei Personen. Ich habe meine Quellen, das muss Ihnen
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