Eisige Schatten
Cassie blickte Abby stirnrunzelnd an. »Außer Kätzchen.«
»Kätzchen?«
»Ja. Kätzchen.«
Abby hatte vorgehabt, Matt von dem Anruf zu erzählen, den sie bekommen hatte, doch es widerstrebte ihr, beim Sheriffdepartment auf ihn zu warten. Als er um vier noch nicht zurück war, die Wolken dichter und die Kälte spürbarer wurde, beschloss sie, dass sie genug hatte.
»Ich richte ihm aus, dass Sie hier waren«, sagte Cassie, beäugte Abby dann mit einer plötzlichen Erkenntnis. »Warum waren Sie überhaupt hier? Ich meine, wenn man bedenkt, wie vorsichtig Sie beide sonst damit sind, Aufmerksamkeit zu erregen?«
»Aus keinem bestimmten Grund.«
»Das nehme ich Ihnen nicht ab. Was ist los, Abby?«
»Ich bekam einen Anruf. Nur jemand, der schwer ins Telefon geatmet hat, mehr nicht.« Und ihren Namen geflüstert hatte. »War vermutlich bloß Gary mit seinen üblichen Spielchen. Hören Sie, ich möchte Matt nicht beunruhigen. Ich wollte ihn nur sehen.«
»Ich werde ihm von dem Anruf erzählen«, versprach Cassie. »Abby, das ist nicht der richtige Zeitpunkt, zu verschweigen, wenn irgendwas Unheimliches passiert. Selbst wenn es bloß IhrEx ist, der Sie quälen will, muss Matt das erfahren. Und sorgen Sie dafür, dass Bryce stets bei Ihnen ist.«
Das war ein guter Rat, und Abby befolgte ihn.
Sie fuhr zurück nach Hause, nicht mehr ganz so ruhelos und verstört wie zuvor, aber auch nicht völlig ruhig. Sie wollte Matt sehen. Und sie war sich relativ sicher, dass sie ihn heute Abend sehen würde. Sie kannte ihn und wusste, dass er so bald wie möglich zu ihr kommen würde, nachdem ihm Cassie von dem Anruf erzählt hatte.
Außerdem hatten sie sich seit diesen wenigen, angespannten Minuten beim Einkaufszentrum am gestrigen Abend nicht mehr gesehen, und Matt ließ selten zwei Nächte vergehen, ohne zu ihr zu kommen.
Er würde erledigt sein nach dem Tag, den er hinter sich hatte, und er würde müde sein. Und hungrig. Abby durchwühlte ihre Gefriertruhe nach den Zutaten für einen Eintopf und hatte ihn innerhalb einer Stunde blubbernd auf dem Herd stehen.
Als das Telefon klingelte, zögerte sie nicht, abzunehmen.
Sie kam gar nicht dazu, Hallo zu sagen.
»Du Schiampel« ,fauchte Gary. »Glaubtest du, ich würde das mit ihm nicht rausfinden?«
17
Cassie kam nach unten und verkündete beim Eintreten ins Wohnzimmer: »Ich habe dir in dem anderen Vorderzimmer das Bett gemacht.«
Ben stand mit finsterem Blick am Kamin. »Du hättest dir die Mühe sparen können. Das Sofa hier reicht mir völlig.«
»Wenn du darauf bestehst, hierzubleiben, ist das ein perfektes Gästezimmer, und du wirst es benutzen. Du kannst letzte Nacht kaum richtig geschlafen haben. Das Sofa ist zu unbequem und außerdem viel zu kurz für dich.«
Ben überlegte, ob er ihr erzählen sollte, dass für ihn, da er sowieso nicht schlafen konnte und die Nacht über etwa stündlich nach ihr geschaut hatte, die Bequemlichkeit des Sofas kein Thema gewesen war. Aber da sie seit der Rückkehr distanziert und abwesend wirkte, fürchtete er sich davor, irgendetwas Falsches zu sagen.
Schließlich begnügte er sich damit, sich leise zu bedanken.
Sie hatten sich beim Chinesen in der Stadt etwas zum Mitnehmen geholt, als Matt gegen sechs aufs Revier zurückgekommen war und Ben erlaubt hatte, zu gehen, und Ben war immer noch nicht ganz darüber hinweg, dass Cassie seiner Absicht, über Nacht bei ihr zu bleiben, nicht widersprochen hatte.
Cassie hatte nur zustimmend genickt. Sie war sogar mit in seine Wohnung gekommen und hatte sich neugierig umgeschaut, während er seine Übernachtungstasche umpackte.
Er hatte keine Ahnung, wie sie seine Wohnung fand; sie hatte keine Bemerkung gemacht.
Jetzt, nachdem die Reste ihrer Mahlzeit abgeräumt waren, Graupelschauer gegen die dunklen Fensterscheiben prasselten und ein langer Abend sich vor ihnen dehnte, war er sich noch genauso unsicher über ihre Stimmung wie schon den ganzen Tag. Nur über eines war er sich sicher – dass sie weit weg von ihm war.
Sie rollte sich auf dem Sessel zusammen, der ihr Lieblingsplatz zu sein schien, beobachtete, wie Max auf seinem Läufer an seinem abendlichen Kauknochen nagte, und sagte beiläufig zu Ben: »Ich weiß nicht, wie du für gewöhnlich den Samstagabend verbringst, aber es gibt hier jede Menge Bücher und Filme auf Video. Im Flurschrank steht sogar ein Stapel Puzzles. Alle recht einfach, schätze ich.«
Ben legte ein weiteres Scheit ins Feuer, setzte sich dann in einiger
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