Eisige Schatten
die sie so verzweifelt gepackt hielt, aber der Eindruck verblich, als sie in Bens haselnussbraune Augen schaute und die Wärme seiner Hand durch den dicken Stoff ihrer Jeans spürte. Seine Hände waren immer so warm.
So warm.
»Natürlich bist du es«, murmelte sie lächelnd.
»Ich will dir nicht wehtun«, sagte er, ließ sich durch ihr Lächeln nicht beruhigen.
»Dann küss mich.«
Ben stand auf, griff nach ihren Händen und zog sie hoch. »Nicht, dass ich das ablehnen wollte«, sagte er im Ton eines Mannes, der ganz genau verstehen möchte, »aber was ist hier gerade passiert? Denn ich hätte schwören können, dass du das für eine schlechte Idee hältst.«
»Einer Frau muss erlaubt sein, ihre Meinung zu ändern. So steht es im Regelbuch.«
»Ah ja.« Bens Arme legten sich um sie, und er lächelte, aber seine Augen blieben ernst. »Jetzt hältst du es also für eine gute Idee.«
Cassie wollte ihn nicht belügen. »Ich glaube … mir blieb nie eine andere Wahl.« Sie blickte auf ihre Hände, die an seiner Brust ruhten, spürte seine Wärme und Kraft und ließ zu, dass sich ihr Körper an seinen lehnte, da es so sein musste.
»Cassie …«
»Ich vertraue dir«, sagte sie, weil es stimmte. »Und ich … brauche dich.«
Sie brauchte seine Wärme, seine Fürsorge. Vor allem brauchte sie es, wenigstens einmal im Leben zu erfahren, wie es sich anfühlte, eine Frau zu sein, die von einem Mann begehrt wird. Sie berührte seinen Mund mit den Fingerspitzen, ließ ihren Blick prüfend über sein Gesicht gleiten. »Ich brauche dich, Ben.«
Ben hatte das ungute Gefühl, hier erneut Cassies Fatalismus am Werk zu sehen, aber nur ein sehr viel beherrschterer Mann als er hätte sich ihr in diesem Moment entziehen können. Er hatte sie gewollt, von dem Tag an, als sie sein Büro betreten hatte, wachsam und in sich gekehrt und gepeinigt. Ihre gequälten Augen zogen an etwas tief in seinem Inneren, und selbst wenn sie Zweifel hatte, er hatte keine – nicht in dieser Hinsicht.
Ihr Kopf beugte sich, und sein Mund bedeckte hungrig ihre Lippen. An diesem Kuss war nichts Sanftes, nichts Zögerliches, und Cassie reagierte augenblicklich, stellte sich auf die Zehenspitzen, um sich besser an ihn schmiegen zu können, öffnete begierig den Mund unter seinem. Sie fühlte sich in seinen Armen zerbrechlich an, und doch war da eine stahlharte Kraft und das unzweifelhafte Verlangen einer Frau. Das ergab eine unglaublich verführerische Mischung.
Absolut bereit, verführt zu werden, hörte sie Ben trotzdem heiser fragen: »Bist du dir sicher?«
Mit einem ruhelosen Drängen in der Stimme erwiderte sie: »Nie in meinem Leben war ich mir einer Sache so sicher.«
Das war mehr als genug. Ben küsste sie erneut, hob sie dann auf die Arme und trug sie nach oben.
»Um ehrlich zu sein, ich bin fast erleichtert«, meinte Abby zu Matt, aufrichtig, aber gleichzeitig bemüht, ihn zu beruhigen. »Die Tatsache, dass Gary angerufen hat, statt hierherzustürmen, betrachte ich als gutes Zeichen.«
»Wie zum Teufel hat er das rausgekriegt?« Matt hatte endlich aufgehört, in der Küche auf und ab zu laufen und leise zu fluchen, aber es war deutlich, dass er nichts lieber wollte, als etwas Garyförmiges mit bloßen Händen zu erwürgen.
»Ich glaube, wenn er herausgefunden hätte, dass ich mich mit einem anderen als dir treffe, hätte er sich auf mich gestürzt. Aber du bringst ihn zum Nachdenken. Du bist größer als er, jünger und in viel besserer Form – und du trägst eine Waffe. Ich glaube nicht, dass er sich mit dir anlegen will, Matt.«
Matt zog sie in die Arme und hielt sie fest umschlungen. »Das bedeutet nicht, dass er sich davon abhalten lässt, etwas viel Hässlicheres als Telefonanrufe zu versuchen, wenn er sicher sein kann, dich allein anzutreffen. Gottverdammt, Abby, diesmal gebe ich mich nicht mit einem Nein zufrieden. Entweder bleibe ich hier, oder du ziehst bei mir ein.«
Sie konnte einfach nicht anders, als zu lachen, wenn auch zittrig. »Du bekommst kein Nein als Antwort. Nachdem Gary jetzt Bescheid weiß, ist es mir egal, wer es sonst noch herausfindet.«
»Gut.« Er küsste sie und ließ sich diesmal Zeit dabei.
Als sie wieder ein paar zusammenhängende Worte herausbringen konnte, sagte Abby: »Du musst müde sein. Bist du nicht müde?«
»So müde nicht.« Er schmiegte sein Gesicht an ihren Hals, atmete ihren Duft ein, den er so liebte, und zwang sich dann, den Kopf zu heben. »Aber ich bin am Verhungern. Bis ich
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