Eisige Schatten
wahr?« Wieder schüttelte Matt den Kopf. »Wir haben alle Probleme. Ben hat seine. Aber in einer Hinsicht könnte Cassie das Beste sein, was ihm je passiert ist. Durch sie könnte er endlich kapieren, was der Unterschied zwischen einer Frau ist, die ihn wirklich braucht, und einer, die sich ihm mit ihren Bedürfnissen an den Hals hängt.«
»Du meinst Mary?«
»Genau. Zugegeben, der alte Richter war ein kalter Fisch, aber wenn Mary reifer gewesen wäre, hätte sie sich nicht all diese Jahre an Ben geklammert, um die emotionale Sicherheit zu bekommen, die sie braucht. Mit ihr am Hals, vor allem seit dem Tod des alten Richters, ist es kein Wunder, dass Ben keine Frau wollte, die auch nur andeutete, mehr von ihm zu verlangen, als er zu geben bereit war.«
»Erscheint mir plausibel. Und du glaubst, Cassie bittet um etwas, das er zu geben bereit ist?«
Langsam erwiderte Matt: »Ich glaube, Cassie verlangt überhaupt nichts von Ben, auch wenn sich nicht übersehen lässt, wie einsam ihr Leben ist. Und vielleicht ist es genau das. Vielleicht ist Ben diesmal derjenige, der mehr braucht, als ihm angeboten wird.«
»Nach allem, was Cassie mir erzählt hat, versucht sie, sich nicht auf ihn einzulassen.«
»Ach, zum Teufel, das läuft doch schon längst. Er übernachtet heute dort, genau wie gestern – und wird es auch morgen Nacht tun. Um sie zu bewachen.«
»Ben ist mir bei den Damen, an denen er bisher interessiert war, nie als besonders beschützerisch aufgefallen.«
»Ach, das hast du bemerkt?«
Abby lächelte. »Weiß er es denn schon?«
»Ich glaube nicht. Und ich wette ein Jahresgehalt darauf, dass sich Cassie nicht sicher ist, ob er sich verantwortlich für sie fühlt oder nur versucht, ihr an die Wäsche zu gehen.«
Abby musste lachen.
Matt lächelte ebenfalls, wurde dann aber wieder ernst. »Ich glaube, diese Lady hat zu viele Monster aus der Nähe gesehen. Und obwohl der Deinige ein offenes Buch für sie ist, behauptet sie, Bens Gedanken nicht lesen zu können, und ich schätze, das wird es ihr noch schwerer machen, ihn nahe an sich heranzulassen.«
»Und je länger der Mörder frei herumläuft …«
»… desto schlimmer für sie beide. Im Moment ist Cassies Verbindung zu dem Mörder, wie dünn und zerbrechlich sie auch ist, unsere beste Spur.« Matt hielt inne. »Und der Mörder weiß das.«
Er zog die Spieldose vorsichtig auf und ließ sie ablaufen, lächelte, als die beiden Tänzer in ihrem ewigen Kreis herumwirbelten und sich umeinander drehten.
Er war müde und musste schlafen, weil es morgen so viel zu tun gab. Aber jetzt noch nicht.
Als Erstes musste er seine Schatzkiste öffnen und sich jeden Gegenstand anschauen, wie er es immer tat, bevor er zu Bett ging.
Becky Smith’ Kette.
Ivy Jamesons Pfauenbrosche.
Jill Kirkwoods spitzenbesetztes Taschentuch.
Das war etwas zerknittert, weil er sich vor ein paar Nächten darauf ergossen hatte, aber der klebrige Beweis seiner Hingabe ließ sein Lächeln nur noch breiter werden.
Er nahm seine neueste Trophäe in die Hand und betrachtete sie im Lampenschein. Deanna Ramsays Slip. Ihm gefiel das seidige Gefühl unter seinen Fingern. Ihm gefielen die blauen und grünen Blumen, die auf den Stoff gedruckt waren. Ihm gefiel der Geruch.
Er hielt den Slip an die Nase, schloss die Augen, atmete ein, legte ihn dann zärtlich wieder zu den anderen Gegenständen in seiner Schatzkiste.
Er schloss die Kiste, trug sie zur Frisierkommode und stellte sie neben das Quadrat aus schwarzem Samt, das in der Mitte unter dem Spiegel lag.
Nur noch zwei Münzen waren übrig, der Dime und das Fünfzig-Cent-Stück.
Er blickte stirnrunzelnd darauf, versuchte sich zu erinnern, warum sie so wichtig waren.
Ach ja. Beweise seiner Zuneigung. Er musste bei den Damen Beweise seiner Zuneigung hinterlassen. Das war … wichtig. Er durfte nicht vergessen, wie wichtig es war.
Dann also noch zwei mehr.
Er hatte sie bereits ausgewählt. Und er wusste, was er ihnen antun würde. Das würde ein solcher Spaß werden. Die einzige Frage war, welche würde die Erste sein?
Ene, mene, muh … pack die Dame an ihrem Schuh … wenn sie schreit … sag einfach buh …
Er hob den Blick und schaute in den Spiegel, traurig, aber nicht überrascht, als niemand zurückschaute.
Cassie wachte mit einem Ruck auf, wusste aber nicht, was sie aus einem seligen Schlaf hatte aufschrecken lassen. Dann, als sich Ben neben ihr auf den Ellbogen aufstützte, fiel es ihr wieder ein.
»Hey.« Sanft
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