Eisige Schatten

muss das als Herausforderung gesehen haben. Er schnappte sich ein kleines Mädchen, tötete es aber nicht sofort. Stattdessen führte er, als Cassie mit ihm Verbindung aufnahm, die Polizei auf eine endlose Schnitzeljagd und war dann irgendwie fähig, Cassie gerade lange genug abzulenken.«
    »Ich missdeutete das, was ich sah«, sagte Cassie. »Führte die Polizei in die Irre. Als sie das kleine Mädchen fanden, war ihre Leiche noch warm.«
    »Und Ihnen wurde die Schuld daran gegeben?«, fragte Matt ungläubig.
    »Ich gab mir selbst die Schuld. Und es war … einfach zu viel. Ich konnte nicht mehr damit fertig werden. Deswegen verließ ich L.A. und kam hierher.«
    Leise sagte Bishop: »Ich frage mich, wie lange Vasek gebraucht hat, Sie zu finden.«
    Cassie starrte ihn an und begriff allmählich. »Natürlich«, flüsterte sie. »Deswegen fiel das Licht von zwei unterschiedlichen Seiten ein, als ich versuchte, Mike Shaw zu erreichen. Deswegen konnte Mike mich mit solcher Kraft rausstoßen, mich so lange blockieren, obwohl er kein Telepath ist. Weil er es gar nicht war. Irgendwie war Vasek mit Mikes Verstand verbunden und hat ihn beherrscht. Vasek hat ihn die ganze Zeit beherrscht.«
     
    »In ihrem Kopf«, sagte Ben langsam.
    »Sie wusste natürlich nicht, dass ich da war. Sie dachte, wir wären nur in Kontakt, wenn sie der Polizei half, mich zu fassen. Aber ich bin schon seit langer Zeit fähig, praktisch willentlich in ihren Geist zu schlüpfen. In ihre Gedanken. Ihre Träume.«
    »Ihre Albträume.« Bis zu diesem Augenblick war es Ben nie gelungen, die Substanz, die Realität von Cassies Monstern wirklich zu erfassen. Aber jetzt sah er sie. Endlich begriff er. Und es war nicht die Kälte des Raumes, die tiefer in seine Knochen drang und Eissplitter hinterließ, die so kalt waren, dass sie brannten.
    Großer Gott, Cassie.
    Das Monster, das sich Bob nannte, lächelte weiter. »Ihre Albträume? Oh, das glaube ich nicht. Ich habe sie nur … ermutigt, ihre natürlichen Gaben zu benutzen. Sie daran erinnert, wer sie wirklich ist. Deshalb bin ich ihr hierher gefolgt. Sie dachte, sie könnte vor dem, was sie ist, davonlaufen, aber das konnte ich nicht zulassen. Wir sind dazu bestimmt, zusammen zu sein, Cassie und ich, und das musste ich ihr zeigen. Ich musste ihr zeigen, dass unser Verstand bereits eins ist.«
    »Indem Sie weitere Frauen ermordeten?«
    »Indem ich dafür sorgte, dass sie ihre natürlichen Gaben benutzte.«
    Ben schluckte die Galle, die ihm in die Kehle stieg, und zwang sich, ruhig zu sagen: »Sie sind also hergekommen und haben nach einem Werkzeug gesucht, mit dem Sie ihre Aufmerksamkeit wecken konnten. Um sie mit Ihren eigenen Fähigkeiten zu beeindrucken. Sie brauchten jemanden mit einem schwachen Geist, den Sie beherrschen konnten, jemand mit dem Instinkt – wenn auch nicht der Erfahrung – eines natürlichen Mörders. Mike Shaw.«
    »Sie müssen zugeben, dass Michael perfekt war. Und ich kann von Glück sagen, ihn in Ihrer pissigen kleinen Stadt gefunden zu haben. Ein Soziopath, der mehr als bereit war, seinen ersten echten Mord zu begehen. Er brauchte nur ein wenig Führung, und das war einfach genug.«
    »Wie fühlte es sich an«, fragte Ben, »per Fernbedienung zu morden?« Bob schien erfreut über die Frage, wollte offensichtlich gern erklären. »Recht interessant. Und befriedigender, als ich erwartet hatte. Er ist natürlich vollkommen primitiv, angetrieben von Wut und eingebildeten Kränkungen und besitzt keinerlei Raffinesse. Ihre Experten werden sicherlich herausfinden, dass er klinisch geisteskrank ist. Und nicht allzu gescheit, fürchte ich. Aber er gab einen hervorragenden Klumpen Ton ab, den ich nach meinen Bedürfnissen formen konnte.«
    »Und Ihr Bedürfnis war, Cassie zu beeindrucken.«
    »Ich wollte, dass sie es begriff«, sagte Bob ganz vernünftig. »Dass wir zwei Hälften eines Ganzen sind, dass wir zusammengehören. Ich wusste das vom ersten Moment an, als sie meinen Geist berührte. Aber sie schien die Herrlichkeit des Tötens nicht zu begreifen und wie … befreiend es ist. Also musste ich es ihr zeigen.«
    »Warum dann ein Werkzeug benutzen?«, fragte Ben. Wenn er ihn dazu bringen konnte, weiterzureden, mehr und mehr von sich preiszugeben, würde sich vielleicht eine Schwäche zeigen. Etwas, mit dem Ben arbeiten konnte, wie er es mit Zeugen vor Gericht tat, um das aus ihnen herauszulocken, was er brauchte.
    »Na, um Cassie zu zeigen, wie mächtig ich bin, natürlich.« Bob