Eisige Schatten
auch gut sein mag.«
»Und das andere?«, fragte der Sheriff.
»Das könnte hilfreicher sein. Er hielt das Messer in der rechten Hand, und auf der Innenseite seines Handgelenks war eine Narbe. Ich glaube, er hat schon mal versucht, Selbstmord zu begehen, mindestens einmal.«
»Wann ist Ihnen das denn eingefallen?«
»Gestern Nacht.« Cassie zuckte die Schultern. »Ich hätte Sie angerufen, aber ich wusste ja, dass wir uns heute sehen würden.« Und sie wusste, dass er sowieso abgeneigt war, ihr zu glauben. Das war offensichtlich.
Trotzdem war der Sheriff widerwillig erfreut, etwas Konkretes zu erfahren. »Na gut, ich füge es dem wenigen hinzu, das wir bisher haben.«
»Wirst du das FBI hinzuziehen?«, fragte Ben.
»Noch nicht.«
»Matt …«
»Sag mir nicht, wie ich meine Arbeit zu machen habe, Ben.«
»Hör zu, setz dich wenigstens mit der Sonderkommission für Gewaltverbrechen in Charlotte in Verbindung. Die haben mehr Mittel zur Verfügung, Matt. Sie können uns helfen.«
»Ihre Mittel bedeuten gar nichts.« Das Kinn des Sheriffs reckte sich halsstarrig vor. »Du weißt und ich weiß, dass dieser Mörder nicht in irgendeiner Computerdatei zu finden ist, Ben. Das ist ein Einheimischer.«
Cassie teilte ihre Aufmerksamkeit zwischen beiden. »Dann sind Sie sich sicher, dass er kein Fremder ist, kein Neuankömmling in der Stadt?«
»Ganz sicher.«
»Matt, wir können uns da nicht sicher sein.«
»Ich schon. Ivys Verwandte schwören, dass sie ihre Tür nie für einen Fremden geöffnet hätte, ganz zu schweigen davon, ihn in ihre Küche zu bitten.«
»Sie könnte ihn durch die Vordertür eingelassen haben.«
»Und dann die Kette wieder vorgelegt haben, wie ihr Neffe und Schwager sie später vorfanden? Nein. Sie kannte ihn, Ben. Sie hat den Dreckskerl durch die Hintertür eingelassen, und sie fühlte sich von ihm so unbedroht, dass er die Küche durchqueren und sich eins ihrer eigenen Schlachtermesser holen konnte.«
Ben runzelte die Stirn, schüttelte aber den Kopf. »Was ist mit Becky? Cassie glaubt, dass Becky ihren Mörder nicht kannte.«
Cassie sagte: »Sie hat ihn zu einem Zeitpunkt, wo sie es hätte tun können, nicht beim Namen genannt. Daher kannte sie ihn wahrscheinlich nicht. Aber das ist nur eine Annahme meinerseits.«
»Was nicht heißt, dass er in dieser Gegend ein Fremder ist«, entgegnete der Sheriff. »Kleine Stadt oder nicht, keiner von uns kennt all unsere Mitbürger.«
Ben nickte zwar zustimmend, meinte aber: »Trotzdem können wir uns nicht sicher sein, Matt. Und selbst wenn du recht hast, besitzt das Sonderkommando andere Mittel, die wir nützen könnten. Sie haben Experten – in der Kriminaltechnik und der Kriminalpsychologie, um nur zwei zu nennen.«
»Ich kann und werde diese Ermittlung allein durchführen«, sagte der Sheriff kategorisch. »Ich übergebe sie nicht dem FBI, einer Sonderkommission oder sonst jemandem. Erinnerst du dich, wie sie hier vor ein paar Jahren durchgerauscht sind, Ben? Das FBI und die DEA, bei der Verfolgung von Drogenkurieren aus Florida und überzeugt davon, dass die Sache von dieser Gegend aus gelenkt wird? So einen Schlamassel habe ich mein ganzes Leben lang noch nicht erlebt. Die Rechte anständiger Bürger wurden ohne jede Entschuldigung mit Füßen getreten, Eigentum wurde zerstört, überall rannten Bewaffnete rum. Mein Vater bekam einen Herzanfall, bevor die ganze Sache sich in Rauch auflöste.« Sheriff Dunbar schüttelte den Kopf. »Nein, nein, so was werde ich nicht noch mal zulassen, nicht in meiner Stadt.« Fast ohne Pause fügte er hinzu: »Also, wenn es euch beiden nichts ausmacht, würde ich sagen, wir verschwinden von hier. Ich muss noch abschließen und zurück ins Büro. Und ich bin sicher, ihr beide habt für den Rest des Nachmittags was Besseres zu tun.«
Cassie protestierte nicht, und Ben schwieg, bis sie in den Jeep gestiegen waren.
Dann, als sie dem Streifenwagen des Sheriffs nachschauten, schüttelte er den Kopf. »Ich fürchte, es war wirklich ein Schlamassel. Und es hat bei den meisten Leuten hier einen schlechten Nachgeschmack hinterlassen. Wie nervös diese Stadt auch wird, Matt wird nicht dafür kritisiert werden, keine Hilfe von außen zu holen.«
»Kann er mit der Sache allein fertig werden?«
Ben ließ den Motor an und legte den Gang ein. »Ich weiß es nicht. Er ist kein Dummkopf, und er hat eine Menge gescheite Leute, die für ihn arbeiten, aber diese Sache übersteigt seine Erfahrung. Während seiner
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