Eisige Schatten
besaß, egal, wer sein Vater gewesen war …
»Aua«, murmelte Cassie und überlegte, ob sich Sheriff Dunbars methodische Polizeiarbeit für ihn in naher Zukunft nicht als politischer Nachteil erweisen würde.
Sie wusste aus ihren eigenen Nachforschungen, dass Dunbar seine Polizeierfahrung in Atlanta gemacht hatte und zum Detective befördert worden war, kurz bevor er nach Ryans Bluff zurückkehrte, als sein Vater ankündigte, er würde als Sheriff in den Ruhestand treten.
Unfreundliche Zungen hätten in der Tat behaupten können, Matt Dunbar habe die Wahl nur aufgrund seines Namens gewonnen, aber das wäre unwahr gewesen. Er war für den Posten qualifiziert, das war sicher. Und er besaß einen recht guten politischen Instinkt, doch es wurde behauptet, er hätte sich seit seiner Amtsübernahme schon mindestens einmal mit dem Stadtrat angelegt.
Auf jeden Fall gab es vermutlich niemanden, der in dieser County besser für den Posten des Sheriffs geeignet war, sicherlich nicht besser qualifiziert, um in einer Mordserie zu ermitteln, daher klang der beißende Kommentar eher gehässig als vernünftig.
Oder panisch.
Weiter hinten auf den Gesellschaftsseiten gab es sowohl Artikel über Ivy Jameson als auch Jill Kirkwood, in denen ihr Leben dargestellt wurde.
Ivys Vergangenheit und gute Werke wurden mit der Haltung scheinheiliger Resolutheit dargestellt, während Jills Lebensgeschichte mit Wärme und echtem Bedauern erzählt wurde.
Zwei Frauen, die eine von vielen geringgeschätzt, die andere hoch angesehen. Und ein junges Mädchen, das, nach allem Dafürhalten, nie jemandem etwas zuleide getan hatte. Alle auf entsetzliche Weise innerhalb weniger Tage in derselben kleinen Stadt ermordet.
Cassie fand, die Zeitung hatte erstaunlich gute Arbeit geleistet, so viele Informationen in der Montagsausgabe zu drucken, wo die beiden letzten Morde erst am Tag zuvor geschehen waren, aber sie zweifelte nicht daran, dass kommende Ausgaben weniger verhalten klingen würden. Die folgenden Tage würden rauer werden.
Sie legte die Zeitung beiseite und trank nachdenklich ihren Kaffee, war sich vage der Leute im Drugstore bewusst, die zum Einkaufen kamen oder nur, um sich hier zu treffen. Der Drugstore war ein zentraler Treffpunkt in der Innenstadt, wie Cassie schon früh entdeckt hatte.
Aber auf der Thekenseite des Ladens waren nur wenige Menschen, daher spürte Cassie es sofort, als jemand neben ihrer Nische stehen blieb. Sie schaute auf und erblickte eine attraktive Rothaarige, die so gar nicht in diese kleine Stadt zu passen schien.
Nach einigem Überlegen erkannte Cassie sie.
»Miss Neill? Mein Name ist Abby. Abby Montgomery. Ich kannte Ihre Tante. Darf ich kurz mit Ihnen sprechen?«
Grüner Slip. Cassie verdrängte das Wissen, sann nicht zum ersten Mal darüber nach, dass paranormale Fähigkeiten einen mit gewissen Fakten versorgten, die nur peinlich waren.
Sie deutete auf die andere Seite der Nische. »Bitte setzten Sie sich doch. Und ich bin Cassie.«
»Danke.« Abby nahm mit ihrem Kaffee Platz. Sie lächelte, doch obwohl ihr Blick direkt war, blieben ihre Augen rätselhaft.
Ohne es auch nur zu probieren, wusste Cassie, dass sie hier erneut jemanden vor sich hatte, dessen Gedanken sie nicht würde lesen können, und diese Gewissheit machte sie aufgeschlossener, als es für sie üblich war.
Es war angenehm, sich nicht darum sorgen zu müssen, ständig den eigenen Schutz aufrechtzuerhalten.
»Sie kannten also Tante Alex.«
»Ja. Wir begegneten uns zufällig ein paar Monate vor ihrem Tod. Zumindest dachte ich, dass es Zufall war.«
»War es keiner?«
Abby zögerte, stieß dann ein kleines Lachen aus. »Im Nachhinein glaube ich, dass sie mir begegnen wollte. Sie wollte mir etwas mitteilen.«
»Ach?«
»Ja. Mein Schicksal.«
»Verstehe.« Cassie fragte nicht, worin die Voraussage bestanden hatte. Stattdessen sagte sie: »Mir wurde erzählt, Tante Alex hätte eine prophetische Gabe.«
»Das wurde Ihnen erzählt?«
Cassie hatte wenig Zweifel, dass Matt Dunbar mit seiner Geliebten über Cassies Fähigkeiten gesprochen hatte. Er war in fast jeder Hinsicht ein sehr offener Mann, und es lag in seiner Natur, sich der Frau anzuvertrauen, die er liebte. Daher wusste Abby sicherlich, dass Cassie paranormal war – oder es behauptete.
Sie mutmaßte, dass es bei diesem Treffen um eine Art Test ging. Oder um Bestätigung.
Cassie sagte: »Ich war noch ein kleines Mädchen, als sich meine Mutter und Tante Alex zerstritten, und
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