Eisige Schatten
machen, bevor er ungeduldig wurde und Eric anwies, Ben zu fragen, damit er sich wieder seinen Ermittlungen widmen konnte.
Matt hatte für gewöhnlich die richtigen Antworten, traute aber selten seinen eigenen Instinkten. Das machte Ben manchmal Sorgen.
Janice meldete sich per Gegensprechanlage. »Ein Anruf, Richter. Ihre Mutter.«
»Danke, Janice.« Er griff nach dem Hörer. »Hi, Mary. Was ist los?« Seit er ein Junge war, hatte er seine Mutter immer mit Namen angesprochen – auf ihren Wunsch. Die Angewohnheit war so tief verwurzelt, dass er nur selten darüber nachdachte.
»Ben, diese schrecklichen Morde …« Die atemlose Kleinmädchenstimme, die sein Vater anfangs so bezaubernd gefunden hatte und dann, als die Jahre vergingen, nur noch entnervend, war von Sorge und Entsetzen erfüllt. »Und Jill! Das arme, arme Ding!«
»Ich weiß, Mary. Wir kriegen ihn, keine Bange.«
»Stimmt es, dass Ivy Jameson in ihrer eigenen Küche umgebracht wurde?«
»Leider ja.«
»Und Jill in ihrem Laden! Ben, was für eine Art Monster könnte so etwas tun?«
Statt der offensichtlichen Entgegnung, dass sie, wenn sie das wüssten, das Monster leichter schnappen könnten, erwiderte Ben geduldig: »Ich möchte nicht, dass du dich zu sehr aufregst, Mary. Du hast eine gute Alarmanlage und die Hunde – nimm sie immer mit raus, wenn du in den Garten gehst.«
»Aber ich wohne so weit von der Stadt entfernt«, jammerte sie.
Ben wollte gerade antworten, dass ihr bestimmt nichts passieren würde, als ihm die versäumte Gelegenheit einfiel, Jill zu warnen. Konnte er damit leben, wenn so etwas noch mal geschah? »Ich sag dir was. Bis fünf Uhr sollte ich hier spätestens fertig sein. Dann komm ich zu dir hinaus, überprüfe alle Schlösser und vergewissere mich, dass die Alarmanlage richtig funktioniert, in Ordnung?«
»Und bleibst zum Essen? Ich mache dir das Hühnchen, das du so gern isst.«
Er dachte flüchtig an seine halb gefasste Absicht, Cassie anzurufen und ihr heute Abend etwas vom Chinesen zu bringen, und unterdrückte einen Seufzer. »Klar. Das klingt toll, Mary. Ich werde so zwischen halb sechs und sechs bei dir sein.«
»Bring Wein mit«, zirpte sie fröhlich. »Bis dann.«
»Okay.« Ben legte auf und rieb sich müde über den Nacken. Er fand es überhaupt nicht unloyal seinem Vater gegenüber, sich zu wünschen, seine Mutter würde einen netten Witwer finden und wieder heiraten. Sie brauchte einen Mann um sich, und da sich in romantischer Hinsicht nichts tat, wandte sie sich natürlich an ihren Sohn. In allem.
Diese Rolle gefiel Ben gar nicht.
Als einziges Kind einer jungen, emotional instabilen Mutter und eines viel älteren, kühl abweisenden, manipulativen Vaters war er sich meist wie ein Sandsack vorgekommen. Dabei war es nicht gerade hilfreich, dass seine eigene Persönlichkeit eine unerquickliche Mischung seines genetischen Erbes war. Emotional genauso empfindlich und impulsiv wie seine Mutter, hatte er gleichzeitig von seinem Vater die intellektuelle Distanziertheit, angeborene Wachsamkeit und die Fähigkeit geerbt, seine Gefühle entweder hinter Charme oder Kälte zu verbergen.
Die Mischung machte ihn zu einem guten Anwalt. Allerdings war er sich nicht sicher, ob sie ihn zu einem guten Menschen machte.
Auf jeden Fall war er ein miserabler Liebhaber.
Jill hatte etwas Besseres verdient. Sie hatte von ihm nichts anderes gewollt als emotionale Nähe, eine Intimität über das Körperliche hinaus, und da sie zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Monate zusammen waren, hatte sie sicherlich ein Anrecht gehabt, ihn darum zu bitten.
Als Reaktion darauf war er nur kühler und noch distanzierter geworden, hatte sich in der Arbeit vergraben und ihr immer weniger von seiner Zeit und seiner Aufmerksamkeit geschenkt. Von sich selbst.
Sogar da hatte Ben erkannt, was er tat, war jedoch machtlos gewesen, das zu ändern. Er hatte ihre Liebe geschätzt, aber ihr unübersehbares Bedürfnis nach ihm hatte ihm das Gefühl von Verpflichtung gegeben. Nicht die Verpflichtung, sich zu binden, sondern sich ihr zu öffnen, und das war etwas, das er einfach nicht fertigbrachte.
Er wusste nicht, woran das lag. Aber er wusste, dass Jill nicht die einzige Frau in seinem Leben war, deren Versuche, ihm näherzukommen, zurückgewiesen worden waren; sie war nur die Letzte gewesen.
Nach Wochen der Distanzierung hatte er sie kühl darauf hingewiesen, dass ihre Beziehung wohl nicht funktionierte. Jill war nicht sehr überrascht gewesen und
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