Eisige Schatten
aber sie sind alle an Sammler gegangen, Ben, und sie sind sehr wertvoll.«
»Heißt das, du glaubst, sie sind aufspürbar? Ein paar Tausend Münzen?«
»Könnte sein. Ich hab jemanden darauf angesetzt.«
»Was ist mit den anderen Münzen?«
Matt schüttelte den Kopf. »Die überprüfen wir noch, doch für mich sehen die alle nach Erstprägungen aus. Wenn ja, wenn er nur Münzen benutzt, die nicht in Umlauf gekommen sind, dann stammen sie höchstwahrscheinlich aus irgendeiner Sammlung.«
»Haben wir Münzsammler in der Stadt?«
»Ja, mehrere, von denen wir wissen. Das ist nicht gerade ein ungewöhnliches Hobby. Wir stellen in aller Stille eine Liste auf.«
»Und dann?«
»Beginnen wir Fragen zu stellen, so diskret wie möglich. Ich will nicht die ganze Stadt erfahren lassen, dass Münzen Teil einer Mordermittlung sind, also haben wir uns eine Geschichte über eine gestohlene Münzsammlung einfallen lassen. Damit werden wir niemanden lange zum Narren halten können, aber mit ein wenig Glück verschafft es uns einen Vorsprung.«
»Keinen sehr großen, fürchte ich«, sagte Ben. »Nach allem, was ich heute gehört habe, kursieren bereits Gerüchte, dass die Opfer etwas in der Hand hielten, als man sie fand.«
»Mist.«
»Wir wissen beide, dass es nur eine Frage der Zeit ist.«
»Ja, aber ich hatte auf Tage gehofft, statt auf Stunden. Verdammt, wie kann das durchgesickert sein? Meinen Leuten wurden Geld- und/oder Gefängnisstrafen angedroht, wenn ich herausfinden sollte, dass jemand außerhalb des Departments über diese Ermittlung spricht.«
Ben zuckte die Schultern. »Osmose. Wenn es ein Geheimnis in dieser Stadt gibt, wird es nach außen dringen. Unter Garantie.«
Matt funkelte ihn an. »Deine Übersinnliche hat doch wohl nicht geredet, oder?«
»Das bezweifle ich. Wann wirst du sie endlich in Ruhe lassen, Matt? Sie hat doch nur versucht, uns zu helfen.«
»Wie mit dieser Sache von vor ein paar Stunden? Dass der Mörder Rechtshänder ist und sich vermutlich schon mal durch Aufschneiden der Pulsadern umbringen wollte?«
»Du hast ihr nicht geglaubt?«
»Nein.«
»Sag mir, dass du deiner Liste von Identifizierungsmerkmalen wenigstens ›Rechtshänder‹ und ›mögliche Selbstmordversuchsnarbe‹ hinzugefügt hast.«
»Hab ich. Aber ich glaube nicht, dass es uns was nützt. Dass er Rechtshänder ist, wusste ich bereits von Doc Munro, der aufgrund der Verletzungen zu diesem logischen Schluss gekommen ist. Und was die angebliche Narbe angeht – die Hälfte aller Männer in dieser Stadt arbeitet in Fabriken und Betrieben, wo Hand- und Unterarmverletzungen nicht selten sind. Ich denke, das war ihr klar. Ich denke, sie hat auf Rechtshänder getippt, weil das am wahrscheinlichsten ist, und die Narbe als Ausschmückung hinzugefügt.«
»Was muss sie tun, um dich von ihrer Echtheit zu überzeugen?«
»Eine Menge mehr, als sie bisher getan hat.«
Ben stand kopfschüttelnd auf. »Du bist so verdammt starrköpfig. Das wird sich eines Tages noch rächen, Matt.«
»Mag sein. Aber nicht heute. Ich ruf dich an, wenn wir noch mehr herausfinden.«
»Mach das. Ich werde heute Abend bei Mary sein, habe allerdings nicht vor, mehr als ein paar Stunden dort zu bleiben.«
»Ist sie nervös?«
»Natürlich. Ich habe versprochen, ihre Alarmanlage zu überprüfen.«
»Sag ihr, ich werde die üblichen Streifenfahrten dort draußen ab heute Abend verstärken.«
»Mach ich. Vielen Dank.«
»Gern geschehen.« Matt lächelte schwach.
Ben winkte ihm zum Abschied zu und verließ das Büro des Sheriffs. Da es ihm nicht lag, unerfreuliche Pflichten auf die lange Bank zu schieben, fuhr er aus der Stadt hinaus zu dem Haus, in dem er aufgewachsen war. Sein Vater hatte darauf bestanden, das große, im nachgemachten Tudorstil erbaute Haus und die vierzig Hektar hügeligen Weidelandes einen Landsitz zu nennen, doch Ben weigerte sich.
Er weigerte sich ebenfalls, es als sein Zuhause zu bezeichnen.
Er drückte den Knopf an der Sprechanlage, statt die Klingel zu betätigen, und war nicht überrascht, als die fröhliche Stimme seiner Mutter ihn bat, einzutreten. Die Tür war nicht verschlossen. Doch da er im Foyer von zwei riesigen Mastiffs begrüßt wurde, konnte man kaum behaupten, das Haus sei ungeschützt.
»Hallo, Jungs.« Er tätschelte die breiten, schweren Köpfe der beiden Hunde, die eindeutig begeistert waren, ihn zu sehen. Seine Mutter hatte sie Butch und Sundance getauft, und jeder von ihnen würde sie mit seinem Leben
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