Eisige Umarmung (German Edition)
dass sie voller Blut waren. „Judd, sag doch etwas.“
„Blackout.“ Dann wurden seine Augen wieder völlig schwarz, alles Weiß verschwand aus ihnen. Und im Schwarz schimmerte es blutrot. Furcht stieg in ihr auf. Sie dachte, Judd würde gleich ohnmächtig werden, aber er schüttelte den Kopf. „Eine Stunde.“
„Eine Stunde.“ Sie erinnerte sich an sein Verschwinden, nachdem er sie mit Gedankenkraft aus dem Hyänenrudel entführt hatte, und zog ihre Schlüsse. Innerhalb einer Stunde musste er an einem sicheren Ort sein. „In Ordnung.“
In diesem Augenblick hustete Andrew, und da Judd sich ihm sofort zuwandte, folgte sie seinen Blicken. Andrew hustete noch einmal, und dann öffneten sich die Lider über den vertrauten blauen Augen. „Scheiße noch mal, was war los?“
Schluchzend küsste sie ihn auf die Wange. Er versuchte, sie zu umarmen, hatte aber noch nicht die Kraft dazu. „Na, na, Süße, ist ja schon gut.“
„Sie haben viel Blut verloren.“ Das war Judds Stimme. „Es wird eine Weile dauern, bis Sie sich vollkommen erholt haben.“
Brenna legte den Arm um Judd. „Halt durch“, flüsterte sie, denn er wollte sich vor den anderen bestimmt nicht schwach zeigen. „Kannst du laufen?“
Er nickte kaum wahrnehmbar, aber sie glaubte ihm nicht, denn aus seinem Gesicht war fast alle Farbe gewichen. Das war noch schlimmer als damals bei der Hütte. Sie stand auf. „Wir sollten beide schleunigst in die Höhle bringen.“
Daraufhin gerieten alle in Bewegung. Nur Sekunden später lag Andrew auf einer Bahre, die jemand in weiser Voraussicht mitgebracht hatte. Riley und Tai trugen ihn zur Höhle, die besorgte Lara begleitete sie. Hawke schickte alle fort, die doch nicht helfen konnten, beugte sich zu Judd hinunter, legte ihm den Arm um die Schulter und half ihm auf die Beine.
„Zu mir nach Hause“, sagte Brenna.
Hawke hatte daran wohl nichts auszusetzen, denn kurze Zeit später befand sich Judd in ihrem Schlafzimmer. Er stützte sich an der Wand ab. „Keine Heiler.“
Hawke sah Brenna an. „Meint er das ernst? Ich werde Lara herschicken, sobald sie mit Andrew fertig ist.“
„Nein“, sagte Judd noch einmal.
Sie wollte, dass er sich möglichst bald hinlegte. „Er ist bei vollem Bewusstsein und kann selber Entscheidungen treffen“, sagte sie zu Hawke. „Wenn man ihn in Ruhe lässt, wird er sich schon erholen.“ Wenn nicht, würde sie selbst nach den Heilern schicken.
Hawke runzelte die Stirn. „Gib Bescheid, wenn du irgendetwas brauchst.“ Er sah Judd an. „Was Sie heute getan haben – habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Ruhen Sie sich aus, dann reden wir weiter.“ Mit diesen Worten ging er.
Nur Brenna hörte Judds Antwort: „Meine Ausbilder dachten das auch.“ Er schwankte.
Sie hielt ihn fest. „Sofort ins Bett.“
„Erst duschen.“
Zuerst wollte sie Nein sagen, doch er war schweißgebadet und voller Blut. So konnte er nicht in Ruhe schlafen. Sie brachte ihn unter die Dusche und wollte ihm aus den Kleidern helfen. Er hielt sie am Handgelenk fest. „Nein.“
Als sie sein Gesicht sah, gab sie jede Gegenwehr auf. Reiner männlicher Stolz. „Na schön“, seufzte sie, „aber wenn ich nicht in spätestens fünf Minuten etwas von dir höre, komme ich rein.“
Alle ihre Sinne waren hellwach, während sie die Bettdecke zurückschlug und im Wohnzimmer rasch einen von Drews Energiedrinks mixte. Nach genau vier Minuten stellte Judd die Dusche ab.
Als sie ins Schlafzimmer zurückkam, schlief er bereits. Sie stellte das Getränk ab, schob die nassen Strähnen aus seiner Stirn und fühlte eine überwältigende Zärtlichkeit. „O Gott, ich liebe dich so sehr.“ Sie küsste ihn auf die Schläfe, und für einen kurzen Moment glaubte sie, irgendetwas in ihm hätte ihr geantwortet. Aber er war unerreichbar für sie.
Sie schüttelte den Kopf, stand wieder auf und sammelte die verstreut auf dem Boden liegenden Kleidungsstücke ein, Schlampigkeit gehörte sonst eher nicht zu seinem Wesen.
Drew war überraschenderweise vor Judd auf den Beinen. Zwölf Stunden, nachdem man ihn in die Höhle gebracht hatte, klopfte er an ihre Tür. Sie hatte gerade ihr Frühstück beendet – das eigentlich gar kein richtiges Frühstück war, denn sie hatte nicht geschlafen, weil sie sich zu sehr um Judd gesorgt hatte. Er schlief so tief, dass sie immer wieder nachgeschaut hatte, ob er überhaupt noch atmete. „Wie fühlst du dich,
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