Eisige Umarmung (German Edition)
Nie hatte er sie so aufgelöst gesehen. Während der Heilungssitzung war sie ein zorniges, halbwildes Wesen gewesen, das sich mit Klauen und Zähnen weigerte, Enrique den Sieg zu überlassen.
Durch diese Erinnerung fand er die Lösung. Er beugte sich so weit herunter, bis seine Lippen ihr Ohr berührten. „Sie werden diese Sache genauso bekämpfen wie alles andere, was er Ihnen angetan hat. Sie sind kein Krüppel, und Sie werden auch nie einer sein.“ Er würde jeden töten, der etwas anderes behauptete. „Sie haben überlebt, und mit jedem Atemzug spucken Sie ihm ins Gesicht.“
Brenna erstarrte bei diesen unerwarteten Worten. Zuerst war Judds Stimme nur ein Schatten gewesen, aber jetzt war sie ein kalter, klarer Anker, der sie unwiderruflich aus den Tränen riss. Für sie waren es nicht die Worte eines Medialen, sondern Judd sprach zu ihr, der Mann, dessen Arme sie so unbeugsam wie Stahl umklammerten.
Sie rieb ihre Wange an der weichen Wolle seines schwarzen Rollkragenpullovers, lauschte dem Schlag seines Herzens. „Tut mir leid, dass Sie mich in diesem Zustand erlebt haben.“ Sie hatte sich so lange aus purem Trotz zusammengenommen, dass in dem Augenblick, als er sie berührte und die allgegenwärtige Barriere von Silentium durchbrach, aller Schmerz aus ihr herausgekrochen war.
„Das ist doch nur allzu verständlich.“ Nicht gerade die Koseworte eines Gestaltwandlers, aber ihr genügte es. Sie hatte gebraucht, was er ihr ins Ohr geflüstert hatte – die Bestätigung, dass sie es überstehen würde. „Möchten Sie reinkommen“, fragte er. „Ich könnte den Laz-Kamin anzünden.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich möchte lieber ein wenig herumlaufen. Wir könnten meine Sachen holen.“
„Sie können hier nicht bleiben.“ Er ließ sie los und trat einen Schritt zurück.
Brenna fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Ob sie sehr verheult aussah? Sie war nicht besonders hübsch, wenn sie weinte. „Werde ich aber.“
Judds dunkelbraune Augen schienen in tiefes Schwarz überzugehen. „Es gibt keinen Grund für Ihre Anwesenheit. Ich kann meinen Auftrag nicht erfüllen, wenn ich auf Sie aufpassen muss.“
Ihre Augen fühlten sich geschwollen an. „Netter Versuch, aber Sie schaffen es nicht, mich so wütend zu machen, dass ich abhaue.“ Nun wusste sie, wie er sich die anderen zu Feinden machte, damit ihm niemand zu nahe kam. „Ich kann zusammen mit Ihnen auf Streife gehen.“
„Das kommt überhaupt nicht infrage.“ Diese Arroganz kannte sie von Hawke und von ihren Brüdern. Na großartig. „Ich werde Sie zu Ihrem Wagen bringen, und dann fahren Sie zurück zur Höhle.“
„Um das hinzukriegen, müssten Sie schon meine Gedanken beeinflussen.“ Sie sah ihn an, und in seinen goldgesprenkelten Augen blitzte etwas sehr Dunkles und sehr Gefährliches auf.
„Dazu bin ich sehr wohl in der Lage.“ Eine Warnung, eine Drohung.
Instinktiv legte sie ihre Hand auf seine Brust. „Auch bei mir?“ Er sagte nichts, und das reichte ihr als Antwort. „Niemand darf Ihre Grenzen überschreiten, nur ich. Warum?“ Sicher empfand er etwas für sie.
„Enrique gehörte zu meinem Volk. Er hat Ihnen wehgetan.“
„Sie fühlen sich schuldig? Ist das der Grund?“ Sie hatte ein flaues Gefühl im Magen.
Seine Finger schlossen sich um ihr Handgelenk, und das Unwohlsein wurde zu sinnlichem Verlangen. „Ich fühle mich nicht schuldig. Ich habe gar keine Gefühle.“ Umgeben von Schnee und Eis erschien er ihr als der schwärzeste aller Schatten. Aber seine Berührung war sehr behutsam.
Ihr Selbstvertrauen kehrte zurück, und sie lächelte. „Dann bleibe ich.“
„Ich werde Sie auf der Stelle zurückfahren.“
„Sobald Sie weg sind, werde ich den Wagen wenden.“ Ihre Haut kribbelte an der Stelle, wo seine Finger lagen, starke Finger mit erregend rauer Haut. Wie würden sich diese Hände wohl auf anderen, weicheren Stellen ihres Körpers anfühlen? Ihr wurde heiß. „Warum stört Sie meine Anwesenheit so sehr? Sie fühlen doch nichts?“
Er griff noch ein wenig fester zu, bevor er sie wieder losließ. „Wehe, wenn Sie mir ins Gehege kommen!“
„Das würde ich nie wagen.“ Erstunken und erlogen. „Lassen Sie uns jetzt meine Sachen holen.“
Er wies mit dem Kopf zur Hütte. „Stellen Sie den Laz-Kamin an. Ich werde das Gepäck holen.“
Es war ihr mehr als recht, dass er seinen Zorn in Bewegung umsetzte. Denn er war ziemlich wütend, auch wenn er es nie zugeben würde. „Der Code ist vier zwei
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