Eisige Umarmung (German Edition)
telekinetischen Fähigkeiten zu Fuß zurücklegen. So würde er am schnellsten dorthin gelangen und könnte gleichzeitig etwas von der psychischen Energie abbauen, die sich in seinem System angesammelt hatte.
Die Geschwindigkeit, mit der er über den Schnee lief, hätte den Wölfen einen Schrecken eingejagt. Wie Brenna wohl auf seine plötzliche Abreise reagieren würde? Sie war eine ziemliche selbstsichere und arrogante Wölfin, sicherlich würde sie wütend werden, wenn sie in der Höhle vergebens nach ihm suchte. Doch es konnte ebenso gut sein, dass sie sein Verschwinden gar nicht bemerkte – vor allem nach seinen gestrigen Worten und seit er nicht mehr ihre einzige Informationsquelle in Bezug auf die Medialen war.
Seine Hände schlossen sich fest um die Gurte seines Rucksacks. Er redete sich ein, diese Reaktion sei notwendig, um sein leichtes Gepäck zu sichern, und rannte noch schneller, damit er nicht mehr nachdenken konnte, sondern sich darauf konzentrieren musste, den Hindernissen auf seinem Weg auszuweichen.
Als Brenna erwachte, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Andrews breites Grinsen am Frühstückstisch bestätigte diese Annahme. Drew hatte gestern eine Scheißlaune gehabt, als sie nach der Auseinandersetzung mit Judd in die Wohnung zurückgekehrt war, denn er hatte herausgefunden, wie viel Zeit sie mit dem Medialen verbracht hatte. Nach einem heftigen Streit hatte sie, völlig angewidert von Männern im Allgemeinen, den Rest des Tages mit Lucy und ein paar anderen Freundinnen verbracht. Aber nun verbreitete ihr Bruder eine geradezu unheimliche Fröhlichkeit.
„Was hast du mit ihm gemacht?“, fragte sie geradeheraus.
Andrews Hand blieb mit der Kaffeetasse mitten in der Luft stehen, er schaffte es sogar, beleidigt auszusehen. „Gar nichts. Wie kommst du überhaupt auf die Idee?“
Sie kannte ihren Bruder schon viel zu lange, um auf seine Schauspielkünste hereinzufallen. „Spuck’s aus oder ich geh sofort hin.“
„Wie du willst.“ Grinsend setzte er die Tasse an die Lippen und trank mit sichtlichem Genuss.
Sie rannte beinahe zu Judd, so sehr befürchtete sie, Andrew könnte ihm wirklich etwas angetan haben. Wieder dieser Geruch von Leere. Ihr Herz schlug dreimal so schnell wie sonst, während sie sich einzureden versuchte, er habe nur wieder seinen Körper an eine andere Stelle versetzt.
„Ich habe ihn an einen Grenzposten geschickt.“
Erstaunt drehte sie sich um und sah Hawke an. „Wohin?“
„Was hast du damit zu schaffen?“ Blassblaue Augen starrten sie an, er blinzelte nicht.
Brenna ballte die Fäuste. „Bitte nicht“, flüsterte sie. „Bitte keine Spielchen.“ Denn Hawke wusste alles, was in seinem Territorium vor sich ging.
„Noch vor einem Jahr hättest du es nicht gewagt, so mit mir zu reden.“
Vor einem Jahr war sie eine andere gewesen. „Die Dinge haben sich geändert.“
„Das ist mir klar.“ Es schien ihm nichts auszumachen. „Deinen Brüdern aber nicht. Lass die Sache mit Judd fallen, ehe es zu spät ist.“
„Du bist der Leitwolf, nicht mein Hüter. Davon habe ich bereits zwei, und die sind mir schon zu viel.“
Jetzt lächelte er – Alphatiere respektieren es, wenn man Rückgrat zeigt. Nur ein schlechter Führer forderte unbedingten Gehorsam. „Dein Medialer ist im östlichen Quadranten. Ich werde dir eine Karte geben.“
Eigentlich hatte sie gar keine Antwort erwartet – Hawke hatte genau wie ihre Brüder einen Hass auf Mediale –, aber sie hatte sogar noch eine größere Bitte: „Kannst du Riley und Drew davon abhalten, mir zu folgen?“
„Sie werden natürlich versuchen, deine Spur zu finden.“ Er hob die Hand und strich mit den Fingerknöcheln über ihre Wange.
Sie ließ ihn gewähren, denn Hawke war genauso verlässlich wie ihre sturen Brüder. „Ich weiß doch, dass ihr alle zu mir gekommen seid, euch um mich gekümmert habt, als ich aufgewacht bin.“ Der harte, stoische Riley hatte Tränen in den Augen gehabt. Drew hatte ihr Vorwürfe gemacht, aber jedes Wort war voller Liebe gewesen, und Hawke hatte sie einfach berührt, sie hatte das Rudel gewittert und gewusst, dass sie zu Hause war. „Ich werde euch das nie vergessen, aber ich muss mich frei bewegen können.“
„Das weiß ich, Süße.“ Er ließ die Hand sinken und sah sie mit einem unergründlichen Blick an. „Niemand außer uns beiden weiß, wo sich Judd jetzt aufhält. Wenn du dich sofort in eins der Vierradfahrzeuge schwingst, hast du vielleicht vier Tage
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