Eisige Umarmung (German Edition)
kaum, aber er hielt Dorian für eines der gefährlichsten Raubtiere beider Rudel – der Leopardenmann konnte sich zwar nicht in ein Tier verwandeln, aber das hatte nichts zu sagen. In der Nacht, als Brenna gerettet wurde, hatte Judd gesehen, wie Dorian Enrique mit bloßen Händen in Stücke gerissen hatte.
„Sie dürfen sich eigentlich nicht hier aufhalten.“ Die Leoparden hatten die Regeln verletzt. Die beiden Rudel waren zwar verbündet und hatten einander das Recht zugesprochen, sich im jeweils anderen Territorium frei zu bewegen, aber sie waren einen Schritt zu weit gegangen, als sie ohne vorherige Ankündigung der Höhle so nahe gekommen waren.
Lucas winkte ab, als Mercy und Dorian ihm Deckung geben wollten, aber er stellte sich schützend vor seine Frau. Sascha verzog das Gesicht, sagte aber nichts.
„Wenn wir auf Krieg aus wären, wären wir schon längst in der Höhle.“ Die Male auf Lucas’ Gesicht, die von den Klauen einer großen Bestie zu stammen schienen, hatten sich dunkelrot verfärbt. „Wir wollen mit Ihnen reden.“
„Dann warten wir hier gemeinsam auf die anderen.“ Judd bezog auf der anderen Seite der verschneiten Lichtung Stellung, zog eine unsichtbare Grenze im Schnee.
Die auch nicht durchbrochen wurde, als Hawke mit seinen Offizieren eintraf. Brenna war ebenfalls zurückgekommen. Sie stellte sich links von Judd auf, während die anderen rechts von ihm blieben, an der Seite von Hawke. Der Leitwolf trat einen Schritt vor. „Ich hoffe, du hast einen verteufelt guten Grund hierfür, Lucas.“
Lucas kam auch einen Schritt näher, sein Gesicht war starr vor Wut. „Die DawnSky-Hirsche sind angegriffen worden. Sie wurden abgeschlachtet.“
Aus Hawkes Kehle kam ein tiefes Knurren. „Wie viele Tote?“
„Neun Erwachsene, drei Junge.“ Lucas’ Male traten noch stärker hervor. „Hätten mehr werden können, aber Faith hatte eine Vision und konnte uns warnen. Mercy und Dorian waren nah genug dran, um einzugreifen. Tamsyn und Nate flicken die Verletzten gerade zusammen.“
Judd sah, wie Sascha nach der Hand ihres Mannes griff und sich an ihn lehnte, dabei aber hinter ihm blieb – ihn unterstützte, aber nicht dadurch aus der Ruhe brachte, dass sie ein leicht zu treffendes Ziel abgab. Lucas’ Hand schloss sich um Saschas Finger. „Es war vorsätzlicher Mord. Sechs bewaffnete Mediale gegen eine Herde äsender Hirsche.“
Judd wusste, dass die Hirsche die friedlichsten Gestaltwandler waren. Sie waren auch nicht besonders stark. „Warum sollten sie das tun?“, fragte er, obwohl er aus Erfahrung wusste, dass die Anwesenheit eines medialen Auftragskillers das Alphatier der Leoparden womöglich in Rage brachte. „Der Rat schlägt nicht unbegründet zu – sie denken immer fünf Schritte im Voraus.“
Es klang fast wie ein Knurren, als Lucas antwortete: „Ich bin dort gewesen. Es sollte so aussehen, als hätten Wölfe die Tiere getötet – sie sind ziemlich gerissen vorgegangen, hatten anscheinend Waffen wie Wolfspranken. Die Leichen waren zerfetzt, an zweien ließ sich ein schwacher Geruch feststellen. Mercy und Dorian müssen die Scheusale gestört haben, bevor sie den Geruch auch bei den anderen hinterlassen konnten.“
„Wenn die Hirsche alle getötet worden wären“, sagte Hawke knurrend, „hätte niemand mehr mit dem Finger auf die Medialen zeigen können. Man hätte uns dafür verantwortlich gemacht.“
„Sie wären von einem mächtigen, fairen Rudel zu wahllosen Mördern verkommen.“ Judd sah die Wächter hinter Lucas an. „Konnten Sie einen der Medialen dingfest machen?“
Mercy wartete erst das Kopfnicken ihres Rudelführers ab, bevor sie antwortete. „Wir haben noch gesehen, wie sie wegliefen, entschieden uns aber, den Verwundeten zu helfen, statt den Tätern hinterherzujagen. Sie haben ihre Spuren sehr gekonnt verwischt, und die Hirsche sind zu traumatisiert, um eine genaue Beschreibung zu liefern – sie sind Lehrer und Buchhalter, keine Soldaten.“
„Was ist mit Faith, konnte sie irgendetwas erkennen?“, fragte Judd, der wusste, dass Faith die beste Hellsichtige innerhalb und außerhalb des Medialnets war.
Sascha schüttelte den Kopf. „Es ist sehr schwer für sie – sie hat es erst gesehen, nachdem das Morden schon angefangen hatte. Sie sehe nur die Konsequenzen und nicht die Tat, sagte sie, und hätte nur einen kurzen Blick in die blutgetränkte Zukunft werfen können.“
Einen Augenblick war es totenstill, dann sprach Dorian, der wütender als
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