Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
unterwegs in Richtung Norden. Es war ein kalter, windiger Tag, und die tief hängenden Wolken sahen nach Regen aus.
»Das wird ein langer Tag«, bemerkte Yvette. In Wirklichkeit machte es ihr nichts aus. Sie freute sich auf die vielen Stunden allein mit Karlsson. Gleichzeitig empfand sie eine gewisse Befangenheit und Nervosität. »Erst Manchester und dann Cardiff. Acht Stunden Fahrzeit, wenn wir mit dem Verkehr Glück haben.«
»Mittags essen wir eine Kleinigkeit in einem Pub«, meinte Karlsson. »Ich hielt es für besser, die Orton-Brüder beide an einem Tag aufzusuchen. Ich möchte mir ein Bild von ihnen machen.«
»Was wissen Sie bereits?«
»Mal sehen. Der Ältere, Jeremy – er ist Mitte fünfzig – arbeitet als Buchhalter für einen großen Pharmakonzern. Muss ziemlich viel Kohle haben. Verheiratet, zwei Töchter. Lebt in Didsbury und sieht seine Mutter nicht oft, höchstens ein-, zweimal im Jahr für ein, zwei Tage. Frieda konnte ihn nicht leiden.«
»Frieda kann viele Leute nicht leiden.«
Karlsson warf ihr einen flüchtigen Blick zu. »Sie folgt ihrem Bauchgefühl«, erklärte er. »Wir haben schon genug Leute, die sich zu streng ans Prozedere halten.«
Yvette starrte auf die Straße hinaus. Es begann zu regnen. »Leute wie mich«, hätte sie am liebsten geantwortet, »langweilig, linkisch und schwerfällig.« Aber sie verkniff es sich. »Was ist mit dem jüngeren Bruder?«, fragte sie stattdessen.
»Robin. Er hat eine wesentlich wechselhaftere berufliche Laufbahn hinter sich, und dasselbe gilt für sein Privatleben. Ursprünglich besaß er eine kleines Unternehmen. Gartengestaltung, steht hier in meinen Unterlagen.«
»Teiche und so was?«
»Schätzungsweise. Die Firma ging in den Neunzigern pleite, und seitdem hat er alles Mögliche gemacht. Neuerdings ist er Unternehmensberater, was auch immer das eigentlich sein mag. Er hat einen Sohn aus erster Ehe und einen zweiten, viel jüngeren aus seiner jetzigen. Er lebt in Cardiff, nahe der Bucht.«
»Und? Konnte Frieda ihn genauso wenig leiden?«, fragte Yvette.
»Seine Mutter besucht er jedenfalls auch nicht oft«, antwortete Karlsson, »aber nach Friedas Meinung ist er der Schwächere von beiden und kein ganz so grober Klotz.«
Als sie die M6 erreichten, hielten sie kurz an, um einen Kaffee zu trinken und zu tanken. Gegen elf lotste das Navigationssystem sie schließlich durch die etwas nobleren Vororte von Manchester. Jeremy und Virginia Orton wohnten in einem großen, frei stehenden Haus in Didsbury, ein Stück zurückgesetzt von der Straße, die von Bäumen gesäumt war. In der gekiesten Einfahrt standen zwei Autos, ein BMW und ein Golf. Aus dem Schornstein stieg Rauch – der von einem Kaminfeuer stammte, wie sie kurz darauf feststellen konnten, nachdem Virginia sie hineingelassen und ins Wohnzimmer geführt hatte.
Auf Karlsson wirkten die dunklen Möbel, das Silbertablett, auf dem ihnen der Kaffee serviert wurde, und die Fotografien von den Kindern in Schuluniform, die in silbernen Rahmen auf dem Stutzflügel standen, wie Relikte aus einer vergangenen Zeit.
Virginia Orton war eine kleine, zierliche Frau mit einer etwas spröden Art. Ihr lockiges Haar war streng zurückgebunden. Ihr Mann wirkte vergleichsweise bullig: nicht fett, aber groß und kräftig wie ein Rugbyspieler in Centre-Position, ein Schrank von einem Mann, mit breiten Schultern, einem großen, schon etwas kahlen Kopf und riesigen Händen und Füßen. Unter seinem Jackett trug er ein lila Hemd und am Handgelenk eine funkelnde Uhr. Er hatte graue, etwas vorquellende Augen, die den beiden Besuchern ziemlich argwöhnisch entgegenblickten.
»Ich habe Sie schon vor einer halben Stunde erwartet«, stellte er fest.
»Stau«, entgegnete Karlsson. »Tut mir leid, wenn wir Sie haben warten lassen.«
»Danke«, wandte Jeremy sich an seine Frau und entließ sie mit einem Kopfnicken. Ihre Absätze klapperten laut über die blanken Bodendielen, als sie sich entfernte. »Worum geht es?«
»Wie Sie wissen, leite ich die Ermittlungen in dem Mordfall.«
»Ja, ja, aber warum sind Sie hier? Ich wüsste nicht, was ich damit zu tun haben könnte. Abgesehen davon, dass mich der Kerl geschröpft hat, natürlich.«
»Wir werden Sie nicht lange aufhalten. Eigentlich war ich der Meinung, dass Mr. Poole Ihre Mutter geschröpft hat und nicht Sie.«
»Schrecklich. Eine alte Frau derart auszunehmen.«
»Aber persönlich sind Sie ihm nie begegnet?«
»Natürlich nicht. Wenn dem so gewesen wäre,
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