Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
fürchterlich erbärmlich? Ich war betrunken, und sie war gemein zu mir, zumindest kam mir das damals so vor.« Sie hielt einen Moment inne. Es bereitete ihr sichtlich Schwierigkeiten, die Worte auszusprechen. »Ich wurde …«, Schamesröte schoss ihr ins Gesicht, »… ich wurde vorübergehend in die Psychiatrie eingewiesen, zu meiner eigenen Sicherheit. Anschließend bin ich dann aus freien Stücken zum Alkoholentzug in eine Klinik gegangen. Seitdem habe ich keinen Tropfen mehr angerührt.«
»Das ist gut.«
»Ich habe mich so geschämt.«
»Was finden Sie an dieser Geschichte eigentlich derart schrecklich, Jasmine?«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie hatten ein Suchtproblem. Sie schafften es, die Sucht zu überwinden. Warum macht Ihnen die Vorstellung, dass die Leute davon erfahren könnten, solche Angst?«
»Zum einen wäre es das Ende meiner Karriere – beziehungsweise dessen, was davon noch übrig ist.«
»Wirklich? Gibt es nicht eine Menge Leute, die mit der Story über ihre Schande und Läuterung sogar Geld machen?«
»Das ist etwas anderes.«
»Warum?«
»Ich galt immer als angenehme, vielleicht etwas kokette, ansonsten aber mustergültige Moderatorin, die versuchte, den Leuten zu einem etwas besseren Leben zu verhelfen. Wenn bekannt würde, dass ich in Wirklichkeit eine alte Säuferin war, die vorübergehend sogar in der Klapse landete, weil sie kreischend auf ihre Mitmenschen losging, was glauben Sie, wie die Leute darauf reagieren würden?«
»Keine Ahnung, aber Sie haben diesbezüglich offenbar eine sehr große Angst entwickelt. Eine Angst, die mit der Zeit nicht nachlässt, sondern immer größer und bedrohlicher wird. Vielleicht ist das eigentliche Problem Ihre Heimlichtuerei.«
»Sie haben leicht reden. Ich kann nicht riskieren, dass das herauskommt.«
»Hat Ihnen Robert Poole das eingeredet? Dass Sie es nicht riskieren sollten?«
»Woher wissen Sie das alles?«
»Weil Sie mit ihm so offen gesprochen haben wie jetzt mit mir«, antwortete Frieda. »Poole war also in Ihr Geheimnis eingeweiht?«
»Er meinte, niemand dürfe davon erfahren, weil das unter Umständen mein Ruin wäre. Er war sehr mitfühlend. Er hat gesagt, mit ihm könne ich jederzeit darüber sprechen.« Jasmine sah Frieda an. »Sie glauben, er hatte unrecht?«
»Ich glaube, es ist immer schwierig, einem anderen Menschen einen Rat zu geben. Trotzdem sollten Sie vielleicht mal darüber nachdenken, was für eine Macht dieser Teil Ihres Lebens über Sie hat.«
»Sie sind doch Therapeutin«, entgegnete Jasmine. »Glauben Sie denn nicht daran, dass geteiltes Leid halbes Leid ist?«
»Das mag in vielen Fällen so sein. Aber wenn Sie ein Problem mit nur einer Person teilen, dann kann es auch sein, dass Sie dieser Person dadurch Macht über sich geben.«
Bei ihrer Rückkehr fand Frieda eine E-Mail von Tessa Welles vor. Sie habe in den kommenden Wochen keinen Termin mehr frei, gehe aber am nächsten Abend in Islington ins Theater und könne vorher, vielleicht so gegen sechs, bei Olivia vorbeischauen, falls ihr das passe.
Frieda rief Olivia an, die erklärte, dass es nicht nur passe, sondern geradezu perfekt sei, je eher, desto besser, ansonsten stehe sie nämlich bald mit einem Messer vor Davids Tür. Frieda schickte Tessa eine entsprechende Antwort, in der sie ihr auch Olivias Festnetz- und Handynummer mitteilte, und ließ Olivia eine Kopie dieser Antwort zukommen.
Außerdem hatte Frieda eine Nachricht von Karlsson auf dem Band, eine Bitte um Rückruf. Als sie ihn schließlich erreichte, sagte er nur: »Nichts zu finden.«
»Wie bitte?«
»Sie hatten mich um einen Gefallen gebeten.«
»Ach, Sie meinen wegen Alan Dekker.«
»Ja.«
»Aber im Moment sind Sie nicht allein und können nicht offen sprechen.«
»Genau.«
»Weil Sie sich mir zuliebe zu weit aus dem Fenster gelehnt haben.«
»Richtig.«
»Ich bin Ihnen sehr dankbar. Dann hat Carrie also recht, er ist tatsächlich spurlos verschwunden.«
»Sieht ganz danach aus.«
»Finden Sie das nicht seltsam?«
»Mehr kann ich nicht für Sie tun, Frieda.«
Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, ging sie hinauf in ihr Arbeitszimmer, wo sie durch die Dachluke sehen konnte, wie die Lichter Londons draußen in der Februarfinsternis flimmerten.
29
B etrachten Sie es als Ausflug.«
Yvette saß am Steuer, Karlsson auf dem Beifahrersitz. Sie waren bereits im Morgengrauen in London aufgebrochen, dann aber auf der North Circular stecken geblieben und jetzt erst auf der M1
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