Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
sie haben wir die Farbe Grün verwendet. Jasmine Shreeve ist rot, die Wyatts sind blau eingezeichnet. Die Tage, an denen er sich mit Janet Ferris traf, sind mit einer gepunkteten Linie markiert, und etliche Tage bleiben frei. Trotzdem ergibt sich ein Muster, das recht regelmäßig wirkt, finden Sie nicht? Jedenfalls regelmäßiger, als man erwarten würde – als hätte er ein System gehabt und sich für alle Leute, von denen er etwas wollte, ein bestimmtes Maß an Zeit reserviert.«
»Mmm«, meinte Karlsson nachdenklich, »da haben Sie recht. Gute Arbeit.«
»Aber das Seltsame ist, dass er zeitweise – immer für ein paar Tage am Stück – völlig vom Radar verschwindet. So alle zehn Tage oder zwei Wochen gibt es drei oder vier Tage, an denen jede Spur von ihm fehlt, und soweit wir es beurteilen können, verbrachte er diese Phasen auch nicht in seiner Wohnung.«
»Sie glauben also, er war bei jemand anderem?«
»Möglich. Bei einer Person, die wir noch nicht aufgespürt haben.«
»Vielleicht einem weiteren Opfer.«
»Der Gedanke liegt nahe.«
»Gab es irgendwelche Reaktionen auf das Plakat mit seinem Konterfei?«
»Sie kennen das ja: Dutzende Leute haben sich gemeldet und behauptet, ihn zu kennen, aber es handelte sich dabei um lauter Sackgassen.«
»Er war Gärtner, nicht?«, meldete Frieda sich zu Wort.
»Was meinen Sie mit ›er war Gärtner‹?«, fragte Yvette. »Was spielt das denn für eine Rolle?«
»Ihr Schaubild erinnert mich an Gartenarbeit«, erklärte Frieda. »Bei der Gartenarbeit folgt ein Stadium auf das nächste. Erst sät man, dann pflegt und gießt man die Pflanzen, schließlich kann man ernten, und im Herbst entfernt man die toten Pflanzenteile. Für mich sieht es so aus, als hätten sich die von ihm ausgewählten Personen in unterschiedlichen Stadien der ›Pflege‹ befunden. Einige hatte er erst einmal angerufen oder vermutlich noch vor, sie anzurufen. Bei unserem Paar in Brixton – durch das wir überhaupt erst auf ihn gekommen sind – war er bereits einmal im Haus. Des Weiteren wäre Janet Ferris zu nennen, für die er allem Anschein nach der perfekte Nachbar war, freundlich und aufmerksam. Gegen Jasmine Shreeve hatte er etwas in der Hand, wovon er aber noch nicht Gebrauch gemacht hatte, soweit wir wissen. Und dann wären da noch die Wyatts. Er hatte es geschafft, Aisling Geld abzuluchsen, und höchstwahrscheinlich hätte er sie im Lauf der Zeit noch stärker unter Druck gesetzt. Ganz zu schweigen von Mary Orton, die er um eine große Summe Geld erleichtert hatte und dann auch noch dazu bringen wollte, ihr Testament zu ändern.«
»Sie haben recht«, sagte Karlsson.
»Falls es eine Person gibt, von der wir noch nichts wissen und mit der er sich in diesen zeitlichen Lücken traf, dann frage ich mich, wie er oder sie ins Bild passt. Was hat er mit der betreffenden Person gemacht? Stand er da gerade erst am Anfang? Oder war er bei dieser Person schon weiter fortgeschritten als bei allen anderen? Vielen Betrügern geht es nicht nur darum, die Leute um ihr Geld zu prellen. Sie genießen das Gefühl von Macht. Es gibt Studien über Täter, die ihre Opfer betrogen haben, ohne daraus den geringsten finanziellen Nutzen zu ziehen – für sie war das Ganze nur ein grandioses Projekt, bei dem sie sich so richtig wichtig fühlen konnten.«
Chris Munster meldete sich zum ersten Mal zu Wort. »Mich würde interessieren«, sagte er, »wer diese gottverdammte Sally Lea ist.«
Das Tosen in ihrem Kopf hatte sich gelegt, ebenso wie ihr nagender Hunger und das benebelte Gefühl. Alles hatte plötzlich ganz klare Konturen. Sie konnte wieder deutlich sehen, und ihre Gedanken waren wie Messer.
Sie war seine Erbin. Sie würde ihn nicht enttäuschen.
Entschlossen erhob sie sich von der schmalen Pritsche mit dem zerknitterten Bettzeug und der kratzigen Decke. Ihre Kleidung schlackerte an ihr. Als sie mit den Fingern über ihren Körper strich, spürte sie, wie ihre Knochen hervorstanden: Hüften, Schlüsselbeine, Rippen. Ihre Schulterblätter fühlten sich an wie Flügel – Flügel zum Fliegen. In der Schule war sie ein molliges Mädchen mit weichen, runden Hüften gewesen. Kurvig, hatte ihre Mutter gesagt. Pummelig, hatten ihre Feindinnen gehöhnt. Jetzt war ihr Körper schlank und fest. Ein Instrument – sein Instrument.
Sie tastete sich bis zu dem langen Schrank im Bug des Bootes vor, wo es immer dunkler wurde, je näher man der Spitze kam. Er hatte gesagt, das dürfe sie nicht, auf keinen
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