Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
Blutgefäß und einen abgebrochenen Nagel inspizierte.
»Schau«, sagte sie, wobei sie seine Hand so herumdrehte, dass die Handfläche nach oben wies, »Lebenslinien.«
»Werde ich lange leben?«, fragte Jack lächelnd.
»O nein«, antwortete sie, während sie seine Hand einen Moment sanft tätschelte und dann losließ, »du nicht.«
Jack kaschierte seine Bestürzung, indem er krampfhaft weiterlächelte.
»Erinnern Sie sich an mich?«, fragte Frieda.
»Du hast uns vorgestellt.«
»Mein Name ist Frieda. Wir haben uns über den Mann unterhalten, der bei Ihnen im Zimmer wohnte.«
»Er ist nie zurückgekommen.«
»Fehlt er Ihnen noch?«
»Wo ist er?«
»In Sicherheit.«
Michelle Doyce nickte. Sie machte eine ihrer fließenden Gesten, in dem sie mit ihren ungeschickten Fingern irgendwelche Linien in die Luft zeichnete.
»Woran erinnern Sie sich, wenn Sie an ihn denken?«
»Seine arme Hand.« Sie wandte sich wieder Jack zu und sah ihn mit ihren milchigen Augen an. »Viel schlimmer als die deine.«
»Nur seine Hand? Sonst nichts? Haben Sie nicht noch etwas anderes eingesammelt?«
»Ich stehle nie. Ich kümmere mich nur um die Sachen.«
»Ich weiß. Brauchen Sie irgendetwas?«
»Am Ende … «
»Wo ist ihr Hund?«
»Am Ende gehen alle weg. Häfen und Flüsse.«
»Aber Ihr Hund hat Sie nicht verlassen, oder?«
»Still, sonst wachen sie auf.«
Sie deutete auf die braune Decke, die über die Kissen gezogen war.
»Ist er da drin?«
»Jetzt sind sie Freunde. Das hat gedauert.«
»Darf ich sehen?«
»Versprechen Sie es.«
»Ich verspreche es.«
Unendlich sanft und zärtlich zog Michelle die Decke weg. »Da«, sagte sie stolz.
Unter der Decke sahen sie nicht nur ein Plüschtier, sondern noch ein zweites auftauchen: den Hund mit den Schlappohren und den Knopfaugen, den Frieda ihr geschenkt hatte, und einen kleinen rosa Teddybären, auf dessen Brust ein rotes Herz gestickt war.
»Das ist gut«, bemerkte Jack, »dann können sie sich gegenseitig Gesellschaft leisten.«
»Hier.« Michelle hob den Hund hoch und platzierte ihn behutsam in Jacks Armen.
»Woher haben Sie den Teddy?«, fragte Frieda.
Michelle starrte sie verständnislos an.
»War jemand da und hat ihn Ihnen gebracht?«
»Ich kümmere mich um die Kleine.«
»Das sehe ich. Aber wie ist sie hierhergekommen?«
»Das weiß man nie so genau.«
Auch die Stationsleiterin wusste nicht, woher Michelle Doyce den Teddy hatte.
»Wie gesagt, ich habe keine Ahnung, woher er stammt.« Die Frau sprach laut und mit Nachdruck, als wäre Frieda schwer-hörig oder schwer von Begriff.
»Oder seit wann sie ihn hat«, fügte Frieda hinzu.
»Richtig. Ich habe keine Ahnung.«
»Jemand muss ihn ihr gegeben haben.«
»Es ist nur ein billiger kleiner Bär«, entgegnete die Frau. »Vielleicht hat Michelle ihn jemandem aus dem Bett geklaut, oder jemand hat ihn weggeworfen, und sie hat ihn aus dem Müll gefischt. Wo liegt das Problem? Er macht sie glücklich. Sie ist den ganzen Tag damit beschäftigt, sich um die beiden Plüschtiere zu kümmern.«
»Ich muss herausfinden, ob sie Besuch hatte. Wie lange bewahren Sie die Aufzeichnungen aus Ihren Überwachungskameras auf?«
»Welche Aufzeichnungen?«
»Ich habe hier in der Klinik schon mehrere Kameras gesehen.«
»Ach, die. Die sind doch nur Show. Wo sollen wir Ihrer Meinung nach das Geld für echte Überwachungskameras hernehmen? Das ist hier keine von Ihren Nobelkliniken, müssen Sie wissen. Für uns ist es schon schwierig genug, unser Pflege- und Reinigungspersonal zu bezahlen, da können wir uns nicht auch noch diesen ganzen modernen Schnickschnack leisten.«
»Es liegt also nichts auf Film vor?«
»Ich glaube nicht, zumindest nicht hier von der Station. Am Eingang gibt es tatsächlich eine Kamera, aber die Aufzeichnungen werden nur vierundzwanzig Stunden gespeichert.«
»Verstehe. Danke.«
Jack und Frieda setzten sich in das Café im Erdgeschoss. Es bestand eigentlich nur aus zwei Resopaltischen, die in einer Ecke des Eingangsbereichs standen, gleich neben dem Laden, in dem Frieda den Hund mit den Knopfaugen gekauft hatte. Ein Mann im Overall schlurfte mit einem Wagen voller Zeitungen und Zeitschriften an ihnen vorbei, die er in großen Bündeln auf den Boden warf. Frieda bestellte bei der gelangweilt wirkenden Frau hinter der Theke einen grünen Tee, Jack einen Cappuccino und dazu einen schon ziemlich vertrockneten Blaubeermuffin.
»Arme Michelle Doyce«, bemerkte Jack, dem bereits der Milchschaum an
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