Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
Panikattacken.«
»Misses Dekker behauptet, Sie hätten ihren Mann, statt ihm zu helfen, als …« – Krull warf einen Blick in seine Unterlagen – »Schachfigur in einer polizeilichen Ermittlung benutzt. Sie hätten sich nicht wie eine Therapeutin, sondern wie eine Ermittlerin verhalten, indem Sie einen schweren Verdacht auf ihn lenkten und ihn sogar bei der Polizei meldeten, so dass er zum Verdächtigen in einem Fall von Kindesentführung wurde. Statt sich an Ihr Versprechen zu halten, die Aussagen Ihres Patienten vertraulich zu behandeln, hätten Sie auf Kosten seines Seelenfriedens und seines zukünftigen Glücks Ihre eigene Karriere vorangetrieben.«
»Würden Sie uns bitte Ihre Version der Ereignisse erzählen, Doktor Klein?« Thelma Scott, die ältere Frau mit der Halskrause und dem hässlichen Pullover, fixierte Frieda mit ihrem scharfen Blick.
Nun, da dieser Moment, vor dem sie sich so lange gefürchtet hatte, endlich da war, fühlte sie sich ganz ruhig. »Alan Dekker kam im November zu mir, weil ihn Fantasien quälten. Vor seinem geistigen Auge sah er sich immer wieder mit einem Sohn. Im wirklichen Leben war er kinderlos, obwohl er und seine Frau schon eine ganze Weile versuchten, ein Kind zu bekommen. Deswegen sprachen wir darüber, wieso seine Kinderlosigkeit bei ihm nicht nur großen Kummer, sondern darüber hinaus eine schwere Störung ausgelöst hatte. Zur selben Zeit war tatsächlich ein Junge verschwunden, Matthew Faraday. Das Kind, das Alan immer beschrieb – der Sohn, den er nie hatte –, besaß so große Ähnlichkeit mit dem verschwundenen Jungen, dass ich es für meine Pflicht hielt, die Polizei darüber zu informieren. Danach sagte ich Alan, was ich getan hatte.«
»War er wütend?«, fragte Jasmine Barber.
Frieda überlegte einen Moment.
»Er wirkte sehr verständnisvoll, vielleicht sogar zu sehr. Es fiel ihm schwer, Ärger zum Ausdruck zu bringen. Ich habe ihn als sanften, von Selbstzweifeln geplagten Mann kennengelernt. Carrie – Misses Dekker – war viel wütender als er. Sie hatte einen stark ausgeprägten Beschützerinstinkt, was ihn betraf.«
»Aber das war nicht das einzige Mal, dass Sie eine Grenze überschritten haben, oder?«, fragte Krull.
Frieda wandte sich ihm zu.
»Der Fall entpuppte sich als kompliziert. Alan war adoptiert. Er fand heraus – nein, ich fand es heraus und sagte es ihm –, dass er ein eineiiger Zwilling war. Er hatte einen Bruder, von dem er nichts wusste, auch wenn zwischen den beiden eine Art Verbindung bestand. Sie sahen viele Dinge gleich, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Verständlicherweise war diese Erkenntnis für Alan höchst beunruhigend. Sein Bruder hatte Matthew entführt. Dean Reeve – ein Name, den inzwischen jeder kennt. Der Lieblingsschurke der Nation.«
»Der sich umgebracht hat.«
»Als ihm klar wurde, dass er uns nicht entkommen konnte, erhängte er sich unter einer Brücke bei einem Kanal drüben in Hackney. Wie unerträglich der Gedanke an seinen Bruder für Alan auch gewesen sein mag, gleichzeitig liebte er ihn, oder hatte zumindest das Gefühl, einen Teil von sich selbst zu verlieren, als Dean starb. Bestimmt hat er deswegen sehr gelitten. Aber Carrie meint noch etwas anderes, wenn sie sagt, ich hätte ihn benutzt.« Frieda betrachtete die drei mit ihren großen, dunklen Augen. »Bei einer Gelegenheit«, fuhr sie fort, »habe ich mit Alan gesprochen, um dadurch Zugang zur Denkweise seines Bruders zu finden – um dahinterzukommen, was in Deans Kopf vorging. Ohne Alan davon zu erzählen. Hätte ich es ihm gesagt, hätte es nicht funktioniert.«
»Sie haben ihn also tatsächlich benutzt?«
»Ja«, antwortete Frieda. Sie erschraken alle über ihre Stimme, die eher wütend als versöhnlich klang.
»Sind Sie der Meinung, dass das falsch war?«
Frieda schwieg ein paar Augenblicke und runzelte dabei angestrengt die Stirn. Sie ließ sich zurückgleiten in die Dunkelheit des Falls, hinein in seine Schatten und die damit verbundene düstere Angst. Wie sich herausgestellt hatte, war ihr Patient der eineiige Zwilling von Dean, einem Psychopathen, der nicht nur Matthew, sondern zwanzig Jahre zuvor auch ein kleines Mädchen namens Joanna entführt hatte. Besagte Joanna, die zum Zeitpunkt ihres Verschwindens ein mageres, schüchternes Mädchen mit Zahnlücke war, dessen Verlust von seiner Familie endlos betrauert wurde, entpuppte sich am Ende als die fette, lethargische Frau von Dean – das ehemalige Entführungsopfer, in aller
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