Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
vererben. Wir haben es gemeinsam aufgesetzt und ein Paar aus der Nachbarschaft als Zeugen unterschreiben lassen. Hier sind ihre Unterschriften, und hier ist meine.«
»Es tut mir leid«, sagte Josef, »aber da bin ich die falsche Adresse.«
»Weil sie mich nie besucht haben. Ich bin ihnen ganz egal – aber ihm war ich nicht egal.«
»Ihm?«
»Robert. Er hat Zeit mit mir verbracht, genau wie Sie. Meiner Familie falle ich nur zur Last. Ich nehme an, ich sollte dieses Blatt einfach verbrennen. Oder wäre das falsch?«
Josef starrte kopfschüttelnd auf das Stück Papier in seiner farbverschmierten Hand.
»Was soll ich machen?«
»Ich weiß es nicht. Ich gebe es Frieda.«
Frieda ging über die Waterloo Bridge nach Hause. Sie hatten sich einen Film angesehen und anschließend ein spätes Abendessen in einem marokkanischen Restaurant eingenommen, wo die Luft nach Zimt und gebratenem Fleisch roch. Danach hatte sie plötzlich das starke Bedürfnis verspürt, allein zu sein. Obwohl er sichtlich enttäuscht war, hielt irgendetwas sie zurück. Er hatte sich mit einem Wangenkuss von ihr verabschiedet.
Sie ging langsam, und als sie die Brücke etwa zur Hälfte überquert hatte, blieb sie wie immer stehen. Normalerweise blickte sie dann flussaufwärts in Richtung Parlament und London Eye und flussabwärts in Richtung St. Paul’s, aber dieses Mal lehnte sie sich nur auf das Geländer und starrte ins Wasser hinunter. Die Themse schien nie so zu fließen, wie sich das für einen Fluss eigentlich gehörte. Sie bewegte sich eher wie das Meer bei Flut, und mit der Flut gingen Wirbel, Strudel und ineinanderfließende Strömungen einher. Nach ein paar Minuten nahm Frieda nicht einmal mehr das Wasser wahr. Sie ließ den Film, den sie gesehen hatte, Revue passieren, und dann wanderten ihre Gedanken zu Robert Poole oder wie auch immer er in Wirklichkeit geheißen haben mochte. Sie musste an die klassische Kindheitsfantasie denken, dass man selbst der einzige echte Mensch auf der Welt ist, während alle anderen Schauspieler sind. Poole war eine Art Schauspieler gewesen, der für jeden, den er traf, eine andere Rolle spielte, indem er sich genau so gab, wie die betreffenden Personen ihn haben wollten, und sie dadurch für sich einnahm. Dann gestattete Frieda sich, an Harry zu denken. Sie stellte ihn sich in seinem hellgrauen Anzug mit dem schönen weißen Hemd vor, wie er sie mit seinen graublauen Augen ansah und sich ihr ein wenig entgegenlehnte, wenn sie etwas sagte, oder sie sanft am Ellbogen nahm, wenn sie gemeinsam die Straße überquerten. Er musterte sie immer wieder aufmerksam und schien bemüht, sogar die Dinge zu hören, die sie nicht sagte. Es war lange her, dass sie jemanden so nahe an sich herangelassen hatte.
Allmählich drifteten ihre Gedanken ab, bis sie schließlich von gar nichts mehr handelten, sondern nur noch dunkel dahinwirbelten wie der Fluss unter ihr. Aus dieser Dunkelheit stiegen ein Gesicht und ein Name auf: Janet Ferris.
Frieda schauderte. Auf der Brücke war es kalt und windig. Ehe sie sich endgültig auf den Heimweg machte, warf sie noch einen Blick auf ihre Armbanduhr. Viertel vor zwölf. Zu spät, um Karlsson anzurufen. Sie beeilte sich, nach Hause in ihr Bett zu kommen, wo sie dann jedoch aufgewühlt und mit brennenden Augen wach lag. Sie wünschte, es wäre schon wieder Tag, doch der ließ lange auf sich warten.
39
F rieda hatte drei Sitzungen hintereinander. Sie stellte fest, dass sie an diesem Tag nicht ganz bei der Sache war, und bemühte sich mit aller Kraft, sich zu konzentrieren und ihren Patienten gegenüber so professionell und präzise wie möglich zu sein. Oder spielte sie nur die Rolle der aufmerksamen, mitfühlenden Therapeutin? Vielleicht war das Ganze genau genommen sowieso nur eine Art Theater. Nachdem sie sich im Anschluss an die letzte Sitzung ihre üblichen knappen Notizen gemacht hatte, verließ sie eilig die Praxis und winkte sich ein Taxi heran. Zehn Minuten später stand sie vor dem Haus in Balham.
Karlsson und Jake Newton erwarteten sie bereits an der Tür. Karlsson telefonierte gerade auf dem Handy. Er nickte ihr zu, sprach aber weiter. »Hallo«, begrüßte Newton sie lächelnd, »wie geht es Ihnen?«
Frieda fiel es erstaunlich schwer, auf diese Begrüßung eine Antwort zu geben. »Ich weiß nicht so recht«, sagte sie schließlich. »Geht schon.«
Karlsson hatte sein Gespräch inzwischen beendet und verstaute sein Handy.
»Sie hätten sich nicht persönlich
Weitere Kostenlose Bücher