Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
nicht zu unüberlegten Handlungen. In erster Linie machten Sie sich vermutlich Gedanken über Ihre Ehe, Ihre Kinder – darüber, wie es überhaupt so weit kommen konnte.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Wyatt leise, fast im Flüsterton.
»Ihre Ehe war eingeschlafen«, antwortete Frieda. »Robert Poole hat Ihnen etwas klargemacht. Vielleicht hat er Sie sogar aufgeweckt.«
»Ich konnte es einfach nicht fassen«, sagte Wyatt zögernd. »Alles entpuppte sich als Lüge – alles, woran ich geglaubt hatte.«
»Haben Sie mit Ihrer Frau über dieses Gefühl gesprochen?«
Wyatt zuckte mit den Achseln. »Nur ansatzweise. Nachdem ich es selbst kaum verstehe, fällt es mir schwer, mit jemand anderem darüber zu reden.«
»Sie sollten es zumindest versuchen.«
Joll hüstelte. »Entschuldigen Sie, dass ich mich noch einmal einmische«, sagte er, »aber mir ist nicht ganz klar, inwiefern das für den Fall relevant sein soll.«
»Mir auch nicht«, pflichtete Karlsson ihm bei. »Ich glaube, wir machen für heute besser Schluss.«
Als sie den Verhörraum verließen, forderte er Frieda mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen.
»Was sollte denn das?«, fuhr er sie an, sobald sie außer Hörweite waren. »Wir hatten ihn fast soweit. Viel hätte nicht mehr gefehlt, und er hätte gestanden. Was sollte das alles? Wo war die alte Frieda?«
Frieda musterte ihn nachdenklich. »Ist Ihnen denn gar nicht daran gelegen, ihn besser kennenzulernen?«
»Wen?«
»Robert Poole.«
Einen Augenblick lang bekam Karlsson kein Wort heraus. »Nein!«, schnaubte er schließlich. »Nein, und Ihnen sollte auch nicht daran gelegen sein, Frieda – weil er nämlich tot ist und nicht mehr erreichbar für Ihre Versuche, ihn zu verstehen oder zu retten oder zu ändern, was passiert ist.«
Chloë wartete bereits. Frieda fiel auf, dass sie sich die Haare gewaschen und zu ihrem superkurzen schwarzen Stretchrock ein frisches weißes Shirt angezogen hatte. Ihr Gesicht war völlig ungeschminkt. Sie wirkte verletzlich und kindlich. Von Olivia war nichts zu sehen.
»Sind Tapas in Ordnung?«, fragte Frieda.
»Ich esse kein Fleisch mehr.«
»Das dürfte kein Problem sein.«
»Und nur noch bestimmte, ökologisch vertretbare Fischsorten.«
»Gut.«
»Davon gibt es aber nicht viele.«
Schweigend marschierten sie zu dem Restaurant, das nur wenige Gehminuten entfernt in Islington lag. Es hatte geregnet, und in den großen, flachen Pfützen spiegelten sich die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos. Erst nachdem sie sich an einem wackeligen Fenstertisch niedergelassen hatten, ergriff Frieda das Wort.
»Warst du heute in der Schule?«
»Ja. Ich habe doch gesagt, dass ich gehe.«
»Gut. Bist du klargekommen?«
Chloë zuckte mit den Achseln. Ihr Gesicht wirkte leicht verquollen, als hätte sie lange geweint. Ihre Arme waren von ihrem Shirt bedeckt, so dass Frieda nicht sehen konnte, ob sie sich wieder Schnitte zugefügt hatte.
Sie entschieden sich für Tintenfisch, gegrillte Paprikaschoten, ein spanisches Omelette und eine Portion Frühkohl. Chloë schnitt einen kleinen Tintenfischring auseinander, teilte die Hälften noch einmal und schob sich dann eines der winzigen Stücke in den Mund.
»Lass uns einen Punkt nach dem anderen abhaken«, schlug Frieda vor, während Chloë langsam auf ihrem Fitzelchen Fisch herumkaute. »Beginnen wir mit der Schule.«
»Was ist damit?«
»Deine Noten waren doch bis jetzt recht gut. Du bist ein helles Köpfchen. Du sagst, du möchtest Ärztin werden …«
»Nein, das sagst du .«
»Ich? Das bezweifle ich.«
»Dann eben irgendwelche anderen Erwachsenen. Mein Dad, meine Lehrer. Der Weg, den man gehen soll, ist genau vorgegeben: Es wird von einem erwartet, dass man sein Abitur macht und dann studiert und sich anschließend einen guten Job sucht. Ich sehe mein ganzes Leben schon genau vor mir, und es kommt mir vor wie eine endlose Strecke grauer Asphalt. Was, wenn ich das alles gar nicht will?«
»Ist das denn so?«
»Ich weiß es doch selbst nicht!« Zornig stach sie mit ihrer Gabel in eine leuchtend grüne Paprikaschote. Eine Fontäne Saft spritzte heraus. »Ich weiß einfach nicht, was der Sinn von dem Ganzen sein soll.«
»Du hast eine harte Zeit hinter dir, Chloë. Dein Vater hat euch verlassen …«
»Du kannst ihn ruhig beim Namen nennen. Er heißt David und ist dein Bruder.«
»Also gut, David.« Allein schon sein Name hinterließ einen unangenehmen Nachgeschmack in ihrem Mund. »Und Olivia hat einen
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