Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
Rand ihres Weinglases. »So ganz habe ich das nie durchschaut.« Ihr Blick bekam etwas Weinselig-Nachdenkliches. »Jedenfalls ist Friedas Verhältnis zu ihrer Familie sehr kompliziert.«
»Wie meinen Sie das?«
»Warum fragen Sie sie eigentlich nicht selbst danach?«
»Ich habe den Eindruck, dass sie es nicht sehr schätzt, wenn man sie über ihr Privatleben ausquetscht.«
»Als ich sie damals kennenlernte, hatte ich richtig Angst vor ihr«, gestand Olivia. »Wenn sie mich ansah oder mir zuhörte, kam es mir manchmal vor, als könnte sie in mich hineinsehen – als wüsste sie alles über mich, selbst die Dinge, von denen ich nicht wollte, dass jemand sie erfuhr. So wie Sie jetzt, nachdem Sie alle meine versteckten Unterlagen und Scheckbücher gesehen haben. Früher habe ich mich sogar des Öfteren gefragt, ob sie mich nicht insgeheim verachtet. Als David mich dann verließ, hörte ich von etlichen Leuten, die ich für meine Freunde gehalten hatte, plötzlich überhaupt nichts mehr, aber Frieda war da, wenn auch zugegebenermaßen manchmal sarkastisch oder schweigsam, wie sie eben sein kann. Trotzdem tat sie, was nötig war – oder größtenteils vielleicht auch unnötig.«
»Warum zieht sie bloß diese Geschichte mit der Polizei durch?«, fragte Harry. »Sie wird deswegen angefeindet, und die Zeitungen bringen diesen ganzen Mist über sie. Warum tut sie sich das an?«
Olivia nahm einen weiteren Schluck von ihrem Wein, und Harry schenkte ihr noch einmal nach. »Danke. Füllen Sie Ihre Klienten immer so ab? Hoffentlich nicht. Jedenfalls, wenn ich beschließe, etwas Bestimmtes zu machen, dann deswegen, weil ich weiß, dass ich es bewältigen kann, ohne dass es mich zu sehr beansprucht oder mir irgendwie Kummer bereitet. Frieda verstehen Sie am besten, wenn Sie sich erst mich ansehen und sich dann das Gegenteil vorstellen. Ich habe keine Ahnung, warum Frieda das alles tut, und wenn ich wieder höre, dass sie irgendwas Spektakuläres gemacht hat, begreife ich nie, warum. Ich weiß auch nicht, warum sie mir hilft, und ich kann definitiv nicht nachvollziehen, warum sie sich freiwillig ins Fegefeuer begibt, indem sie versucht, Chloë auf dem rechten Weg zu halten.« Sie griff wieder nach ihrem Wein. Allmählich klang sie leicht undeutlich, als wäre ihre Zunge eine Spur zu groß für ihren Mund. »Zum Beispiel … wo war ich gerade?« Sie überlegte einen Moment. »Ach ja, der Zeitungsartikel. Wäre der über mich gewesen, dann hätte ich mich vor Scham in ein Loch verkrochen und mich so schnell nicht mehr hervorgewagt. Frieda dagegen … Frieda ist wie eines von diesen wilden Tieren, ein Dachs oder ein Hermelin. Wenn man deren Bau zu nahe kommt, werden sie gefährlich und … Na ja, jetzt übertreibe ich vielleicht ein bisschen. Der Vergleich mit dem wilden Tier hinkt. Aber sie ist eigensinnig und stur. Auf eine gute Art. Jedenfalls zu neunundneunzig Prozent. Oder zu fünfundneunzig.«
Harry wartete einen Moment. »Ich glaube, Frieda verbirgt irgendetwas«, sagte er dann, »irgendeinen heimlichen Kummer. Wissen Sie, was ich meine?«
Nun folgte eine lange Pause. Harry hatte das Gefühl, dass Olivia plötzlich seinem Blick auswich. »Allem Anschein nach wissen Sie sehr wohl, was ich meine«, stellte er fest. »Und wie Sie sicher schon gemerkt haben, bin ich im Begriff, mich in sie zu verlieben. Ich würde gerne wissen, woran ich bin.«
Sie wandte sich ihm wieder zu. »Sie hat Ihnen also nicht erzählt, was mit ihrem Vater passiert ist?«
»Nein«, sagte er, »nein, das hat sie nicht.«
Nachdem Beth mit den Fotos fertig war, nahm sie sich seine Notizen vor. Es waren viele Seiten, und anfangs begriff sie nicht recht, worum es sich dabei eigentlich handelte. Zum Teil kamen ihr seine Aufzeichnungen vor wie Kurzgeschichten, doch dann wurden plötzlich Listen daraus – Listen seltsamer Sachen. Gymnastikübungen zum Abnehmen, Pflanzen und wo man sie herbekam. Manche der aufgelisteten Punkte waren mit Häkchen versehen, andere durchgestrichen. Außerdem stieß sie auf eine Menge Zahlen, auf die sie sich keinen Reim machen konnte, so dass sie es nach einer Weile gar nicht mehr versuchte, auch wenn sie durchaus registrierte, dass einige der Zahlen aus ziemlich vielen Ziffern bestanden und ihnen außerdem ein Pfundzeichen vorausging. Nach und nach begriff sie, dass diese Aufzeichnungen verschiedene Leute betrafen. Alles über sie war vermerkt: Namen, Adressen, Geburtsdaten, Familienangehörige, Berufe.
Er hatte auch über
Weitere Kostenlose Bücher