Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
neuen Freund.«
»Rate mal, wer sie vorhin abgeholt hat«, sagte Chloë.
»Kieran, nehme ich an.«
»Falsch geraten. Nächster Versuch!«
»Ich habe keine Ahnung«, stöhnte Frieda, die Chloës Ratespiel langsam nervös machte.
»Dieser Buchhalter oder was immer der ist. Der Typ, den du angeschleppt hast.«
»Ich habe ihn nicht angeschleppt.«
»Mir ist sonnenklar, was da abläuft«, sagte Chloë.
»Wie meinst du das?«
»Ich weiß, ich bin noch ein Teenager, aber sogar ich kapiere, dass es dabei in Wirklichkeit um dich geht.«
»Da fühle ich mich jetzt irgendwie überfordert«, antwortete Frieda.
»Ich sehe doch, wie er dich anschmachtet. Meine Mutter benutzt er eigentlich nur, um dich zu beeindrucken. Was hältst du von ihm?«
»Was hältst du von ihm?«
»Tante Frieda, du hast die üble Angewohnheit, jede Frage grundsätzlich mit einer Gegenfrage zu beantworten.«
Frieda grinste. »Das ist Lektion Nummer eins in der Therapeutenschule«, erklärte sie. »Egal, was dein Patient zu dir sagt, du sagst einfach: ›Wie meinen Sie das?‹ Und schon bist du aus dem Schneider.«
»Aber ich bin keine Patientin von dir, und du bist nicht aus dem Schneider.«
»Wir haben gerade von deiner Mutter gesprochen.«
»Na schön, dann lass uns von meiner Mutter sprechen. Ich glaube, ihr liegt überhaupt nichts an mir.«
»Ich glaube, ihr liegt sogar eine ganze Menge an dir, Chloë. Aber dir ist sicher klar, dass sie nicht nur deine Mutter ist, sondern auch eine Frau, die gedemütigt wurde und sich nun fragt, wie ihr eigenes Leben weitergeht, wenn du so willst, und die außerdem gerade einen neuen Mann kennengelernt hat.«
»Und? Deswegen bleibt sie trotzdem meine Mum. Sie kann sich nicht einfach wie ein Teenager benehmen. Das ist doch meine Rolle! Manchmal macht mir das richtig Angst, es fühlt sich an, als würde es mir den Boden unter den Füßen wegziehen.«
Chloës Bemerkungen über ihre Mutter stimmten derart genau mit Friedas eigener Einschätzung von Olivia überein, dass sie einen Moment brauchte, bis sie antworten konnte. »Du hast recht. Vielleicht können du und ich ja mal mit ihr reden und versuchen, ihr klarzumachen, wie du dich fühlst, und dann ein paar Grundregeln aufstellen. Aber gib ihr auch die Chance, sich zu ändern. Schlag die Türen nicht hinter dir zu. Sie ist durchaus in der Lage, sich Fehler einzugestehen.«
»Warum sollte ich ihr eine Chance geben, wenn sie mich nicht mal wahrnimmt?«
»Glaubst du das wirklich?«
»Ich glaube es nicht, ich weiß es. Sie steckt so tief in ihrem eigenen Schlamassel, dass sie meines gar nicht sieht. Ich weiß nie, was mich erwartet, wenn ich heimkomme. Manchmal ist sie betrunken, manchmal weint sie. Manchmal ist sie so aufgedreht, dass sie unbedingt mit mir durch die Läden ziehen und mir lächerlich teure Klamotten oder sonst was kaufen will. Manchmal schreit sie mich an und regt sich darüber auf, was für ein Wichser mein Dad ist. Dann liegt sie wieder stundenlang in der Badewanne und macht sie hinterher nicht mal sauber, so dass ich ihre Haare und Dreckränder wegputzen muss. Mal kocht sie, mal vergisst sie es. Mal weckt sie mich morgens auf, mal nicht. Manchmal stürzt sie sich geradezu auf mich, reißt mich in ihre Arme und verkündet, dass ich ihr lieber Schatz bin oder so was in der Art, und dann faucht sie mich wieder grundlos an. Manchmal ist Kieran da – wobei es dann noch am besten ist. Ich mag seine ruhige, freundliche Art, und außerdem spricht er mit mir. Sie fragt mich nie, wie es in der Schule läuft, macht Briefe, die von der Schule kommen, gar nicht erst auf, und den letzten Elternabend hat sie komplett vergessen. Ich bin ihr völlig egal.«
Chloë hörte gar nicht mehr zu reden auf. Nachdem die Schleusen endlich geöffnet waren, ließ sie ihre ganzen aufgestauten Gefühle heraus, ihre ganze Angst und Unzufriedenheit. Frieda sagte nicht viel, spürte aber, wie in ihr die Wut hochstieg, bis sie sich kaum noch beherrschen konnte. Sie nahm sich vor, mit Olivia zu reden und ihr klarzumachen, welche Folgen ihre chaotische Lebensweise für ihre Tochter hatte. Außerdem würde sie zusammen mit Chloë ein Gespräch mit deren Lehrkräften führen und einen Arbeitsplan für sie erstellen. Und sie wollte – dieser letzte Entschluss verursachte ihr ein leichtes Schwindelgefühl, als spähte sie vom Rand einer Klippe – mit ihrem Bruder David sprechen.
Etwa einen Kilometer von ihnen entfernt – in einem neuen Weinlokal in der Upper Street,
Weitere Kostenlose Bücher