Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
Kaffeetasse, stellte sie aber gleich wieder ab, ohne getrunken zu haben. »Ich hatte in meinem Leben selbst auch von Zeit zu Zeit meine Probleme. Wenn man dieses Haus so sieht, könnte man ja meinen, dass mit mir alles in bester Ordnung ist.«
Nein, dachte Frieda. Dieser Meinung war sie ganz und gar nicht.
»Ich weiß, wie es ist, manchmal in nichts einen Sinn zu sehen«, fuhr Lorna fort, »aber man hat seine Familie, seine Freunde und seine Arbeit, die einem helfen, nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Wenn aber Beth ihre schlechten Phasen hatte, führte einem das vor Augen, wie das Leben sein konnte, wenn all das wegfiel.«
»Ich bezweifle nicht, dass sie ein potenzielles Opfer ist. Mich würde nur interessieren, ob sie selbst auch gewalttätig werden könnte«, erklärte Frieda.
»Über so etwas möchte ich nicht sprechen«, erwiderte Lorna. »Ich möchte nur, dass es ihr gut geht.«
Frieda warf einen Blick aus dem Fenster. Draußen war der Gärtner gerade damit beschäftigt, einen Rosenstrauch so weit zurückzuschneiden, dass er nur noch aus einer Ansammlung von Stümpfen bestand. Konnte eine Rose das überleben? »Wurde Ihre Tochter jemals gewaltsam einer psychiatrischen Behandlung unterzogen?«
Lorna schüttelte missbilligend den Kopf. »Etwas Derartiges kam für uns nicht infrage. Sie hat aber jedes Mal Hilfe bekommen, wenn sie welche brauchte.«
»War sie in der Zeit, als sie verschwand, in psychiatrischer Behandlung?«
»Ja, das war sie.«
»Sind Sie über Einzelheiten der Behandlung informiert?«
»Nein«, entgegnete Lorna, »aber ich glaube nicht, dass sie ihr viel gebracht hat.«
»Erinnern Sie sich an den Namen der Arztes?«
»Es war eine Ärztin, aber meiner Meinung nach nicht die richtige für Beth. Wenn überhaupt, ging es ihr eher schlechter.«
»Wie hieß die Ärztin?«
»Ach, ich weiß es nicht«, antwortete Lorna leicht gereizt. »Doktor Higgins, glaube ich.«
»Erinnern Sie sich auch an den Vornamen?«
Lorna wirkte immer genervter. »Irgendwas mit E. Vielleicht Emma oder Eleanor. Sie konnte Beth aber nicht helfen – genauso wenig wie alle anderen.«
Sie hatte eine schlimme Nacht hinter sich. Sie waren wütend auf sie gewesen, ein ganzer Chor wütender Stimmen: hohe, schrille Stimmen, aber auch tiefe, schroffe, polternde. Diese Stimmen waren Edwards Worte – Dinge, die er zu ihr gesagt hatte –, aber sie waren in ihrem Kopf zum Leben erwacht und wollten nicht mehr verstummen. Er wollte nicht verstummen. Beth wusste, dass sie weg musste. Konnte man vor so etwas überhaupt weglaufen? Es kam ihr vor, als hätte sie die schlimmste Sorte Kopfschmerzen – die Sorte, die einem das Gefühl gibt, als würden im eigenen Kopf Insekten krabbeln und kratzen und kauen. Sie wünschte, sie könnte entkommen und diesen Schmerz hinter sich lassen. Sie spielte sogar mit dem Gedanken, sich selbst anzuzünden und die Insekten zu verbrennen – wie wenn die Leute Ameisenhügel in Brand steckten und die Ameisen dann endlos im Kreis herumliefen, als würde das etwas nützen. Sie könnte sich aber auch in eine Gefriertruhe legen, so eine, wie ihre Eltern in der Spülküche stehen hatten. Es wäre so ein gutes Gefühl, diese extreme Kälte zu fühlen, scharf wie ein Messer, und dann, nachdem sie den Deckel über sich zugezogen hätte, in der Dunkelheit zu liegen und zu spüren, wie die Insekten einschliefen.
Aber nein, so etwas war nicht erlaubt. Das hatte Edward gesagt, und die Stimmen hatten es auch gesagt. Wenn sie daran dachte, was Beth wollte, ging alles schief. Dann war schon immer alles schiefgegangen. Beth war böse. Beth war die böse Person in ihrem Kopf. Deswegen war es wichtig, an Edward zu denken. Edward. Alle anderen waren der Feind. Vor allem Beth. Um Beth würde sie sich später kümmern. Zuerst aber – das war ihr vage bewusst – sollte sie etwas essen, damit sie wieder Treibstoff hatte, so wie ein Auto. Sie musste einfach da hin und tun, was Edward wollte. Mehr war gar nicht nötig. Sie fand noch ein paar trockene, zähe Brocken von dem Huhn. Während sie darauf herumkaute, griff sie nach dem letzten Stück Brot, das inzwischen steinhart war, bestrich es dick mit Butter und schob es sich in den Mund, wo sie es zu einer breiigen Masse zerkaute, die schwer zu schlucken war. Sie musste sie mit Wasser hinunterspülen. Dazu brauchte sie gleich mehrere Gläser. Die Milch, die schon nach Käse roch, trank sie auch noch hinterher. Das Ergebnis war ein starkes Völlegefühl, das
Weitere Kostenlose Bücher