Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
wackelte. »Sie war nicht viel hier, sondern immer unterwegs, auf der Suche nach ihrem Zeug. Ich habe sie mal unten am Fluss gesehen, als gerade Ebbe war. Sie hat alles Mögliche aus dem Schlamm gefischt.«
»Haben Sie sie je in Begleitung gesehen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe sie auch nicht viel reden hören.«
»Die Männer, die Mister Meteskys Raum benutzten, sind die auch mal in die anderen Zimmer gegangen?«
»Ich weiß, worauf Sie hinauswollen.«
»Dann beantworten Sie meine Frage.«
»Nein, sind sie nicht.«
»Auch nicht in das Zimmer von Michelle Doyce?«
»Die blieb immer für sich. Eine recht traurige Sorte Dame, wenn Sie mich fragen. Warum wäre sie sonst auf dieser Müllkippe hier gelandet? Sie würden doch auch nicht hier leben wollen, solange Sie anderswohin könnten, oder? Aber ich habe immerhin meinen Hund, was, Buzz? Wir leisten uns gegenseitig Gesellschaft.«
Ein unheimlicher Laut drang aus Buzz’ breitem Brustkorb. Der Hund verdrehte so wild die Augen, dass Karlsson nur noch das Weiß hervorblitzen sah.
Frieda, die gerade die Blackfriars Bridge überquerte, blieb in der Mitte stehen, um erst nach Westen zu blicken, in Richtung London Eye und Big Ben, und dann nach Osten, wo die sanft geschwungene Kuppel von St. Paul’s aufragte. Alles flackerte, als würde es sich gleich auflösen. Schuld waren die dichten Schneeflocken, die sich erst unten auf dem Gehsteig in Matsch verwandelten. Während Frieda sich raschen Schrittes wieder in Bewegung setzte, versuchte sie ein unbestimmtes Gefühl von Angst und Niedergeschlagenheit abzuschütteln. Ohne noch einmal stehen zu bleiben, ließ sie Smithfield Market und die St. John Street hinter sich und erreichte schließlich Islington. Fünf Minuten zu früh stand sie vor dem Haus von Chloë und Olivia, wo sie ihrer Nichte eine Nachhilfestunde in Chemie geben sollte. Trotzdem hörte sie, als sie klopfte, sofort eilige Schritte. Chloë war in den letzten paar Monaten größer und dünner geworden. Das kurz geschnittene Haar stand ihr in unterschiedlich langen Strähnen vom Kopf ab, so dass Frieda sich fragte, ob sie sich die Frisur selbst verpasst hatte. Ihre Augen waren dick mit Kajal umrandet, und ein neues Piercing zierte ihre Nase. Am Hals hatte sie einen halb verblassten Knutschfleck.
»Gott sei Dank bist du da!«, rief Chloë in pathetischem Ton.
»Warum Gott sei Dank?«
»Mum ist in der Küche. Mit einem Mann .«
»Ist das so eine Katastrophe?«
»Sie hat ihn im Internet aufgegabelt.«
»Wo liegt das Problem?«
»Ich dachte, wenigstens du wärst auf meiner Seite.«
»Mir war gar nicht klar, dass es hier überhaupt verschiedene Seiten gibt.«
»Ich bin keine Patientin von dir, Frieda.«
Frieda streifte sich die Schuhe ab, hängte ihren Mantel an den Garderobenhaken und betrat dann das wilde Durcheinander des Wohnzimmers.
»Chemie?«, fragte sie, während sie nach einem Sitzplatz Ausschau hielt.
Chloë verdrehte die Augen. »Was sollte ich an einem Freitag denn sonst mit meinem verkorksten Leben anfangen?«
Der Schnee ging wieder in Regen über. Den Rest des Tages und die ganze Nacht goss es so heftig, dass sich auf den Straßen das Wasser staute und in den Parks große Pfützen bildeten, die langsam zu größeren Flächen zusammenwuchsen. Gullys liefen über. Von den Autos stiegen schmutzige Fontänen auf. In den Kanälen schäumte das Wasser. Auf den Straßen liefen die Menschen unter großen Schirmen, die sie kaum schützten, von einem Geschäft zum anderen. Die klatschnasse Welt schrumpfte: Im Dunst des kalten Regens sah man kaum das Ende der Straße, geschweige denn einen Baumwipfel. Die braune Themse schwoll an. Es regnete den ganzen Abend und bis in die Nacht hinein. In Häusern und Wohnungen lagen die Menschen allein oder paarweise in ihren Betten und lauschten dem Regen, der mit beängstigender Wucht gegen ihre Fenster schlug. Der Wind peitschte durch die Bäume und riss die Deckel von den Mülltonnen. Klappernd rollten sie in der Dunkelheit die Straßen entlang.
In einer kleinen Gasse in Poplar, die zwischen zwei Wohnblöcken mit vernagelten Fenstern und Türen in Richtung des Flusses Lea verlief, ging ein Gully über. Kurz nach drei Uhr morgens drückte das Wasser den Kanaldeckel hoch. Etwa zehn Minuten später tauchte an der Oberfläche ein Knäuel Haare auf. Darunter schimmerte etwas Helles.
Erst um acht Uhr fünfundzwanzig, als der Regen an diesem Morgen in ein eisiges Nieseln überging, stieß ein Teenager, der
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