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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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dem Schatten bewegen sollten. Er merkte, dass die beiden sich unbehaglich fühlten. Die Eisköniginnen, so vermutete er, gehörten nicht zu den Menschen, die Publicity genossen oder sich gern fotografieren ließen. »Ein letztes Foto«, rief er Betty zu, »den Handbohrer zehn Zentimeter höher.« Im Moment verdeckte er Dornröschens Gesicht.
    Betty gehorchte und hielt den Bohrer fest, während Michael hastig einen Scheinwerfer neu justierte, den der Wind halb umgeweht hatte. Das volle Licht fiel auf das Eis, und er trat näher, um so viele Details wie möglich zu erfassen. Ob es an dem zusätzlichen Licht lag, oder an der Arbeit, die Betty den ganzen Morgen über geleistet hatte, konnte er nicht sagen, aber das Gesicht der Frau war besser zu erkennen als je zuvor. Michael sah die kastanienbraunen Haare unter der rostigen Kette, den Schimmer einer weißen Brosche und die smaragdgrünen Augen. Ihr Gesichtsausdruck war genauso, wie er ihn vom zweiten Tauchgang in Erinnerung hatte. Wie war er nur auf die Idee gekommen, er hätte sich geändert? Schon merkwürdig, welche Streiche einem das Gedächtnis spielen konnte. Er machte eine Reihe von Aufnahmen, doch sein eigener Schatten fiel ständig auf das Motiv,
und er musste seine Schulter senken und ein paar Zentimeter zur Seite rücken. Er stellte die Kamera wieder scharf, und während er es tat, bemerkte er, dass sich erneut etwas verändert hatte. Er hatte ein gutes Auge für Details, das war schon seinen Lehrern aufgefallen, ebenso wie den Redakteuren, und er könnte schwören, dass an diesem Bild etwas anders war. Eine winzige, flüchtige Kleinigkeit. Als er seine Position erneut veränderte, sah er es. Ihre Pupillen verengten sich.
    Er ließ die Kamera sinken, dann sah er sich die Aufnahmen an, die er gerade gemacht hatte. Vor und zurück, von einem zum anderen. Obwohl die Veränderung nur minimal war, gab es keinen Zweifel daran.
    »Hab ich dich endlich gefunden!«, hörte er Darryl über den klappernden Metallzaun hinweg rufen. »Du hast einen Anruf über Satellitentelefon, von einer Frau namens Karen. Sie wartet auf dich.« Darryl sah, wie weit Betty und Tina bereits mit dem Eisblock gekommen waren. »Wow! Ihr seid ja fix!«
    Michael nickte und sagte: »Lasst alles, wie es ist. Ich komme zurück.«
    »Ich glaube, die Lichter solltest du besser ausmachen«, sagte Betty.
    Sie hatte recht. Michael stopfte die Kamera zurück in seinen Anorak und schaltete die Scheinwerfer aus, ehe er zum Hauptgebäude ging. Sofort verwandelte sich der Eisblock von einer glänzenden Säule in einen düsteren Monolithen.

22 . Kapitel 11 .Dezember, 15 : 00 Uhr
    »Es tut mir leid«, sagte Karen, »habe ich dich gestört?«
    »Nein, nein, ich höre immer gerne von dir. Das weißt du doch.« Aber ihm rutschte jedes Mal das Herz in die Hose, wenn er über das Satellitentelefon mit ihr sprach. Es war sehr unwahrscheinlich, dass sie gute Nachrichten hatte. »Was ist los?«
    Mit dem Fuß stieß er die Tür zu und kauerte sich auf den Schreibtischstuhl ohne Armlehnen.
    »Ich wollte dir nur sagen, dass Kristin das Krankenhaus verlassen hat. Du brauchst dort also nicht mehr anzurufen.«
    Eine Sekunde lang hob sich seine Laune. Kristin war zu Hause? Doch Karens Stimme klang nicht glücklich, also fragte er: »Wo ist sie jetzt?«
    »Zu Hause.«
    Jetzt war er doch verwirrt. Das war doch ein gutes Zeichen, oder? »Auf Anraten der Ärzte? Hat sie solche Fortschritte gemacht, dass sie nach Hause kann?«
    »Nein, eigentlich nicht. Aber mein Dad glaubt das.«
    Das passte. MrNelson war niemand, der sich von Fachleuten aufhalten ließ.
    »Er ist der Meinung, dass im Krankenhaus nicht genug für sie getan wird, Physiotherapie, Mobilisation und so. Also hat er beschlossen, eigenes Personal einzustellen und sie nach Hause zu holen, damit er sie besser überwachen kann.«
    »Und wer kümmert sich um seine Autohäuser?«
    »Frag mich nicht. Das ist seine tolle Idee, und wir machen eben mit.«
    Das klang ebenfalls typisch für die Familie Nelson. Kristin war die Einzige gewesen, die sich jemals aktiv geweigert hatte, einfach mitzumachen. Michael zweifelte keine Minute daran, dass MrNelson seine Tochter liebte, trotzdem glaubte er, dass diese Aktion für ihn eine Möglichkeit war, endgültig und unbestreitbar die Kontrolle über Kristin zurückzugewinnen.
    »Wann soll es losgehen?«
    »Morgen. In der letzten Woche haben sie alles organisiert, das Krankenhausbett, Beatmungsgerät und Krankenschwestern, die rund um

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