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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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eigenen Waffenreihen weiter hinten. Zusätzlich zum Leben von Hunderten von Männern opferten sie drei Regimentsfahnen. Obwohl dieses Ereignis fünf Jahre zurücklag, schmerzte die Erinnerung daran noch immer.
    »Aus diesem Grund trage ich das hier stets unter meinem Hemd«, sagte Hatch und zog eine Kette hervor, an dem eine silberne Medaille mit der Einprägung
Punjab Feldzug 1848 – 9
hing. »Jeder Mann, der diesen Tag überlebt hat, sucht nach einer Gelegenheit, sich reinzuwaschen.«
    Aus dem Krähennest ertönte ein Schrei, wurde vom Wind zu ihnen heruntergetragen und von mehreren Marineoffizieren an Deck wiederholt. Sinclair und Hatch erhoben sich rasch und gingen zur Steuerbordreling. Die Männer, die sich noch auf den Beinen halten konnten, drängten sich Schulter an Schulter. Als der Nebelschleier über dem Wasser aufriss, gab er den Blick auf die hügelige Küstenlinie der Krim und eine Flotte aus britischen Schiffen frei, die bereits vor ihnen angekommen waren und hier vor Anker lagen. Als die
Henry Wilson
die Bramsegel und Royalsegel einholte und in ruhigeres Gewässer glitt, hörte Sinclair in der Ferne gelegentlich das Signalhorn ertönen und erspähte die glitzernden Waffen am Strand. Die Ausschiffung hatte bereits begonnen, und Sinclair spürte, wie sein Puls sich beschleunigte. Wenn er die Klippen über sich betrachtete, schien die Krim eine ausgedehnte, sich wogende, baum- und strauchlose Steppe zu sein, und somit ideal für den Einsatz der Kavallerie. Es drängte ihn, Ajax aus dem Frachtraum zu bringen, ihn auf den Weiden dort drüben grasen und frei über die scheinbar ruhigen Hügel laufen zu lassen.
    Erst als das Schiff näher kam und Anker setzte, bemerkte Sinclair, wie hier und da etwas aus dem Wasser der Bucht aufragte. Zunächst hielt er es für irgendeine Art Wasserlebewesen, Seehunde vielleicht, oder sogar Delphine, doch dann trieb eines dieser Wesen, sich hebend und senkend wie eine Boje, auf den Bug der
Henry Wilson
zu. Während er zusah, driftete es langsam an der Längsseite des Schiffes vorbei, gefangen in den Strudeln und Wirbeln und gegen die Holzplanken stoßend, bis es schließlich abdrehte. Und plötzlich erkannte Sinclair, dass es sich um
Kopf und Schultern eines Soldaten in einer durchnässten roten Uniform handelte. Der leblose Kopf rollte von einer Schulter zur anderen, die Wangen waren eingefallen, die glasigen Augen starr. Dann war er hinter dem Heck verschwunden und trieb hinaus aufs offene Meer.
    Es gab noch weitere Männer, die wie hässliche rote Äpfel in einem Fass tanzten.
    Ein Matrose, der neben Sinclair an der Reling stand, bekreuzigte sich. »Es ist die Cholera«, murmelte er. »Es ist zu gefährlich, sie zu begraben oder zu verbrennen.«
    Sinclair wandte sich an Hatch, dessen Zähne sich in die Pfeife zu graben schienen.
    »Aber … das?«, fragte er.
    Hatch nahm die Pfeife aus dem Mund. »Sie werden mit Gewichten beschwert, bevor man sie über Bord wirft«, erklärte er, »und sollten eigentlich untergehen. Aber manchmal reicht das Gewicht nicht aus.«
    »Und wenn sie aufquellen«, sagte der Matrose mit ruhiger Stimme, »steigen manche von ihnen wieder nach oben, als wollten sie sich ein letztes Mal umsehen.«
    Sinclair sah hinüber zum geschäftigen Hafen, in dem die Schiffe entladen wurden und die Truppen in weißen Ruderbooten an Land gebracht wurden. Fahnen flatterten im Meereswind, und im hellen Licht der Sonne glitzerten die Bajonette. Dann fiel sein Blick erneut auf das schauderhafte Treibgut, das auf den weißgekämmten Wellen tanzte.
    »Wie heißt dieser Ort?«, wollte er wissen, damit er ihn nie wieder vergaß.
    Der Matrose lachte bitter. Er legte einen Finger an die Augenbraue, ehe er sich abwandte und sagte: »Man nennt ihn die Unglücksbucht.«

21 . Kapitel 11 .Dezember, 13 : 00 Uhr
    Betty Snodgrass und Tina Gustafson wurden manchmal für Schwestern gehalten. Beide waren »schwere Mädchen«, wie sie oft witzelten, hatten blonde Haare und ein offenes Gesicht. Kennengelernt hatten sie sich am angesehenen Institut für glaziologische und antarktische Forschung an der Universität von Idaho. Wahrscheinlich war das der erste, wenn auch gewiss nicht der letzte Ort, an dem man ihnen den Titel Eisköniginnen verpasst hatte. Glaziologie wurde allgemein als die schwierigste, härteste und anstrengendste Disziplin der Geowissenschaften angesehen, und das war zweifellos der Grund, weshalb sich die beiden diesem Fachgebiet verschrieben hatten. Sie wollten

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