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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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der Wind strich heulend um das Gebäude herum.
    Der Eisblock im großen Becken schmolz langsam und unmerklich. Nach und nach wusch das zirkulierende Wasser das uralte Eis aus. Gelegentlich war ein Knacken zu hören, wenn das Meerwasser eine winzig kleine Spalte fand und sich beeilte, in sie einzudringen. Hier und da tauchten winzige, fast unsichtbare Linien auf, wie Risse in einem Spiegel. Luftblasen stiegen an die Oberfläche und platzten. Die schwarzen PVC -Rohre, die Frischwasser in den Tank pumpten und die gleiche Menge Wasser, gekühlt durch das geschmolzene Eis, wieder absaugten, sorgten für eine gleichmäßige Temperatur von vier Grad Celsius. In ein oder zwei Tagen würde das Eis dünn genug sein, um ungehindert hindurchsehen zu können, dünn genug, um den matten violetten Schimmer des Labors durchzulassen. So dünn, dass es womöglich zu splittern und bröckeln begann.
    Und dann würde das Eis, ob es wollte oder nicht, alles preisgeben müssen, was es gefangen hielt.

23 . Kapitel 13 .Dezember, 12 : 10 Uhr
    Eine Fahrt auf einem Hundeschlitten war wesentlich angenehmer, als Michael es sich vorgestellt hatte. Die Ladefläche war aus hartem Polymer-Kunststoff geformt, ähnlich wie ein Kajak, doch man saß ein paar Zentimeter über dem Boden in einer Art Hängematte. Selbst wenn die Hunde über ein holpriges Stück Eis rannten oder einen Buckel trafen, war Michael durch die Polarkleidung, die er trug, gut gepolstert. Schnee und Eis flogen an beiden Seiten vorbei, während Danzig, der hinter Michaels Kopf auf den Kufen stand, die Hunde anfeuerte. Es waren, wie Michael von Murphy erfahren hatten, die letzten Hunde in der ganzen Antarktis.
    »Hunde sind verbannt worden«, hatte Murphy erklärt, »weil sie die Staupe übertragen können. Das hier ist das letzte Gespann. Sie sind nur deshalb von der Neuregelung ausgenommen, weil wir behauptet haben, dass sie zu einer langfristig angelegten Studie gehören.« Er hatte die Augen verdreht. »Du machst dir keine Vorstellung von dem Papierkram, aber Danzig würde sich nie von ihnen trennen. Sie sind die letzten Hunde am Südpol, und Danzig ist der letzte Hundeschlittenführer.«
    Selbst von seinem keineswegs idealen Beobachtungspunkt aus konnte Michael erkennen, wie perfekt die Hunde zusammen liefen, sich ins Geschirr legten und Kodiak, dem Leithund, folgten. Er staunte, wie schnell und ausdauernd die Tiere waren. Manchmal
schienen sie nur ein grau-weißer verschwommener Fleck zu sein, der sich auf und ab bewegte wie die Pferde auf einem Karussell. Der Schlitten flog nur so hinter ihnen her. Selbst ohne Danzigs gelegentliche Schreie »Haw!« für links, und »Gee!« für rechts, wussten die Hunde genau, wo sie lang mussten. Sie waren unterwegs zur alten Walfangstation der Norweger, etwa drei Meilen die Küste entlang. Danzig ließ sie diese Strecke regelmäßig laufen, damit sie im Training blieben. Er hatte vorgeschlagen, dass Michael ihn begleiten könne – »während dein Dornröschen langsam auftaut« –, um Fotos von dem aufgegebenen Außenposten zu machen. Michael hatte beschlossen, das Angebot anzunehmen. Am Morgen hatte er dem meeresbiologischen Labor einen Besuch abgestattet, aber es gab noch nicht viel Neues zu fotografieren, und Darryl hatte ihm versichert, dass es noch einen oder zwei Tage dauern würde, bevor es eine wesentliche Veränderung gab.
    »Vorsicht ist besser als Nachsicht«, hatte Darryl den langsamen Auftauprozess gerechtfertigt, und Michael hatte ihm zugestimmt.
    Doch Eis beim Schmelzen zuzusehen war etwa so spannend wie Gras beim Wachsen zu beobachten.
    Das letzte Mal, als Michael versucht hatte, Stromviken zu erreichen, hatte ihn ein dichter Nebel überrascht, bei dem er unmöglich Fotos machen konnte. Heute war es zwar bitterkalt, einunddreißig Grad unter null, aber klar. Das gleichbleibende, unverminderte Licht verlieh der Luft eine verwirrende Qualität. Dinge, die weit entfernt waren, konnten viel näher erscheinen, und was sich in unmittelbarer Nähe befand, wirkte fast wie unter einem Vergrößerungsglas. Die Luft und das Licht in der Antarktis machten das Fotografieren, also das Produzieren von klaren, scharfen und richtig belichteten Bildern, zu einer unvergleichlichen intellektuellen Herausforderung.
    Michael hatte die Arme über der Brust und die Kamera unterm Parka verstaut.
    »Wie gefällt dir das?«, rief Danzig und beugte sich zu ihm nach unten, so dass seine Kette aus Walrosszähnen Michaels Kapuze streifte.
    »Ist auf jeden

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