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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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Bullen zusammengetrieben und umgebracht worden waren, konnten die Robbenjäger methodisch alle Kühe abschlachten, die immer noch ihre Jungen zu schützen versuchten. Zum Schluss kamen die Jungtiere an die Reihe, vorausgesetzt, sie waren nicht zu klein, um sich mit ihnen abzugeben. Das Abhäuten war der schwerste Teil. Vier bis fünf Männer waren nötig, um einen voll ausgewachsenen See-Elefanten ordentlich zu häuten und die dicke gelbe Fettschicht vom darunterliegenden Fleisch abzulösen. Die meisten Tiere brachten nach dem Sieden
pro Stück eine Ausbeute von ein bis zwei Fässern Tran. Durch die Jagd wurden sie beinahe ausgerottet.
    Obwohl Michael wusste, dass sie keine Bedrohung für ihn darstellten, näherte er sich den See-Elefanten mit großer Vorsicht, um sie nicht unnötig zu belästigen. Er wollte Bilder von entspannten Tieren, nicht von aufgeschreckten. Außerdem rochen die Viecher fürchterlich. Der Hauptbulle, erkennbar allein an seiner enormen Größe, befand sich gerade im Haarwechsel. Die abgestoßenen Haare und Hautfetzen bildeten auf dem Boden um ihn herum einen schmutzigen Teppich, und die laut rülpsenden Kühe waren auch nicht viel besser. Michael stellte sich auf einen niedrigen zylinderförmigen Windkanter, einen Felsen, der über die Jahrhunderte vom Wind diese merkwürdige Form bekommen hatte, und blickte durch den Sucher. Doch es war schon schwer genug, aufrecht in dem unaufhörlichen Wind zu stehen, auch ohne zu versuchen, die Kamera ruhig zu halten. Um gute Fotos zu bekommen, würde er das Stativ aufbauen müssen.
    Während er in seiner Tasche herumwühlte, brüllte der Elefantenbulle und Michael konnte seinen nach totem Fisch stinkenden Atem riechen. »Himmel, hast du noch nie was von Mundwasser gehört?«, rief Michael, während er das Stativ auf einer halbwegs ebenen Fläche auf dem felsigen Strand aufstellte.
     
    Das Wasser begann über den Rand des Beckens und auf den Betonfußboden zu laufen, wo es in kleinen Bächen in den Abflusslöchern im Boden verschwand. Das meeresbiologische Labor war, wie alle anderen Gebäude, über dem Boden auf Schlackeblöcken errichtet worden, und das Wasser tropfte einfach durch ein paar Stahlröhren auf das vereiste Land darunter.
    Inzwischen war der Eisblock an manchen Stellen nicht dicker als ein Kartenspiel, und seine Gefangenen waren dunkel darin zu erkennen. Die erste Stelle, die vollkommen eisfrei war, befand sich auf der Unterseite, dort, wo der große Brocken sich gelöst
hatte, der später den Abfluss blockiert hatte. Jetzt tauchte die Spitze eines schwarzen Lederstiefels auf. Sie glänzte wie Obsidian.
    Der Schmelzprozess schritt voran, und in der Mitte des Blocks entstand eine Spalte. Die Körper, die im Eis eingesperrt waren, wirkten wie der Makel in einem Diamanten, eine merkwürdige Unvollkommenheit in einem gigantischen Kristall. Als sich der Spalt verbreiterte und plötzlich aufbrach, war es, als würde das Eis selbst seinen Inhalt abstoßen. Die Hälften des Eisblocks fielen zur Seite, und das Meerwasser umspülte den Körper des Soldaten und des Mädchens wie bei einer Taufe. Sie waren der Luft ausgesetzt und wurden in das violette Licht des Labors getaucht. Mehrere Minuten lang lagen sie einfach nur still, Seite an Seite, und schaukelten auf dem Eis.
    Die abblätternde Kette, die um ihre Kehlen und Schultern geschlungen war, hielt sie zusammen, bis sie sich, von den langen Jahren im Eis und Salzwasser zerfressen, auflöste und auf den Boden des Beckens glitt.
     
    Sinclair holte als Erster Atem. Halb Luft, halb Wasser, und er musste husten.
    Dann begann Eleanor ebenfalls zu husten, und ein unkontrollierbares Zittern erfasste ihren ganzen Körper.
    Das letzte Eis, das noch an ihnen haftete, löste sich, und Sinclairs Füße tasteten nach dem Boden des Beckens und fanden ihn schließlich. Taumelnd und stolpernd wie ein Betrunkener kam er auf die Beine und ergriff rasch Eleanors kalte Hand. Tropfnass zog er sie aus dem Wasser, in dem unzählige Eisstückchen schwammen. Ihr Blick war verschleiert und unkoordiniert, das lange braune Haar klebte an ihren Wangen und der Stirn.
    Wo sind wir?
    An einem Ort, für den er keine Worte hatte. Sie standen in einer Art Bottich, der bis zu den Knien mit Salzwasser gefüllt
war. Kein Mensch befand sich in diesem Raum; das einzig Lebendige, das er sah, waren seltsame Kreaturen in Kisten aus Glas. Die Glaskisten gaben ein violettes Licht ab und machten leise zischende Geräusche.
    Er schaute Eleanor

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