Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
Vom Netzwerk:
früher knöcheltief mit Blut und Eingeweiden bedeckt gewesen war. Die dunklen Eisenbahnschienen ähnelten den Schienen einer Achterbahn und führten direkt in ein verfallenes Gebäude ein paar hundert Meter weiter hügelauf. Mit mechanischen Karren waren die begehrten Teile der Wale in die Produktionshalle gebracht worden, während der Rest der Knochen und Fleischabfälle in der Guanogrube und an der stinkenden Küste landete, wo sich Vögel in dichten Schwärmen und vor Freude kreischend über die noch dampfenden Fleischhaufen hermachten.
    Es war zu kalt, um die Handschuhe auszuziehen, und so mühte sich Michael mit dem Stativ und der wasserfesten Ausrüstungstasche ab. Danzig verankerte einen Schneehaken, wie die Handbremse bei einem Auto, um zu verhindern, dass die Hunde den Schlitten wegzogen. Als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme band er die Notleine an einen eisernen Förderwagen, der umgedreht auf der gefrorenen Erde lag und dem zwei Räder fehlten. Kodiak, der ihn aufmerksam aus seinen glasblauen Augen beobachtete, saß auf den Hinterläufen und wartete.
    »Ich werde ihnen jetzt was zu fressen geben«, sagte Danzig. »Den Teil vom Ausflug mögen sie am liebsten.«
    Ein paar Hunde, die direkt vor dem Schlitten liefen, tänzelten an ihrem Platz herum und leckten sich bereits die Mäuler, als Danzig einen steifen Leinensack vom Handgriff nahm.
    »Für mich nicht, danke«, sagte Michael, als Danzig mehrere knorrige Streifen Dörrfleisch herausholte.
    Danzig lachte und sagte: »Aber sag nicht, ich hätte dir nichts angeboten.«
    Vorsichtig bewegte Michael sich über die verrosteten Schienen und die vereiste, vom Wind glatt gescheuerte Erde. Das Jaulen der Hunde und das Kreischen einiger Raubmöwen, die von den Hunden und dem Fleisch angelockt worden waren, waren seine einzigen Begleiter. Dies hier war vermutlich der trostloseste Ort, den er je gesehen hatte.
     
    Der Eisblock im Wasserbecken löste sich immer weiter auf, bis, viel eher als erwartet, kleine Stücke abbrachen, beinahe so, als würde etwas im Inneren des Eises zusätzlichen Druck ausüben. Ein schartiger Brocken von der Größe eines Baseballs brach an der Unterseite heraus, genau dort, wo jetzt der Stiefel des Mannes zu sehen war. Das Eis trieb im Wasser, bis es dicht an das PVC -Rohr kam, durch welches das Wasser aus dem Tank abgepumpt und der Pegel gleichmäßig auf einer Höhe gehalten wurde. Hier wurde der Brocken angesaugt und setzte sich hartnäckig fest.
    Allmählich stieg der Wasserspiegel in dem Becken, das durch das andere Rohr ständig weiter aufgefüllt wurde. Dabei füllte es auch die oben liegenden Risse und unsichtbaren Kanäle im Eis, so wie Blut sich durch winzige Venen und Kapillaren drängte. Wenn man das Ohr an den Eisblock legte, könnte man ein Geräusch hören, das dem Rauschen atmosphärischer Störungen sehr ähnlich war, während das Eis knackte und bröckelte. Und noch etwas würde man hören. Ein leises Scharren, als kratzte jemand mit den Nägeln auf Glas.
    Der Strand von Stromviken glich keinem anderen, den Michael je gesehen hatte. Es handelte sich um einen gewaltigen Friedhof, bedeckt mit gigantischen Wirbelsäulen und Schädeln mit klaffenden Kiefern, die von der Polarsonne und dem unnachgiebigen Wind zu einem matten Weiß gebleicht worden waren. Manche der Knochen stammten von den Tieren, die in Stromviken geschlachtet worden waren, andere kamen von Walen, die man auf See auf so genannten Fabrikschiffen ausgenommen hatte. Ihre Kadaver hatte man zurück ins Meer geworfen, und irgendwann waren sie hier angespült worden. Inmitten der Knochen und Felsen lag eine Handvoll See-Elefanten und sonnte sich im kalten Glanz. Sie nahmen keine Notiz von dem Mann in dem unförmigen Parka und der grünen Schneebrille, der mit der Kamera in ihre Richtung zielte. So wie sie den Männern keine Beachtung geschenkt hatten, die vor Jahren hierher gekommen waren und sie unterschiedslos abgeschlachtet hatten wie die Wale.
    Doch anders als die Wale, ließen sich die See-Elefanten mit den rüsselartigen Schnauzen und den braunen, blutunterlaufenen Augen mit Leichtigkeit fangen und töten. An Land bewegten sie sich unbeholfen und kamen nur langsam voran. Die Robbenfänger mussten nur zu ihnen gehen, ihnen einen Hieb auf die Nase versetzen und, sobald die Tiere überrascht auf ihren Flossen zurückwichen, mehrere Male mit einer Lanze das Herz durchbohren. Manchmal dauerte es fast eine Stunde, bis das Tier ausgeblutet war, doch sobald die

Weitere Kostenlose Bücher