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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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Fall besser als der Bus!«
    Danzig klopfte ihm auf die Schulter und lehnte sich wieder zurück. Mit seinen Hunden konnte er nie genug angeben.
    Aber es war schwierig für Michael, etwas zu erkennen, besonders direkt vor ihnen, so dass er die ersten Anzeichen der Walfangstation auf der rechten Seite entdeckte, den rostigen Rumpf eines norwegischen Dampfbootes, das an der Felsenküste gestrandet war. Der Pier daneben war schon vor langer Zeit zusammengebrochen, zertrümmert vom Eis, das von den Gezeiten hin und her geschoben wurde. Am Bug des Schiffes, der zum Land statt zum Meer wies, befand sich eine Harpunenkanone, eine norwegische Erfindung, die zwei Meter lange Speere abfeuerte, die später mit Sprengstoff bestückt wurden. Wenn der Harpunier gut war, wurde der fliehende Wal zwischen den Schulterblättern getroffen, tauchte unter, um sich zu verstecken, und kurz darauf detonierte eine Bombe in seinem Körper, die sein Herz und seine Lunge zerfetzte.
    Wenn es so kam, hatte das Tier noch Glück gehabt. Zielte der Harpunier daneben oder verletzte den Wal nicht tödlich, konnte sich der Todeskampf über Stunden hinziehen, während der Wal versuchte zu entkommen, blutend und spritzend, und immer mehr Harpunen auf ihn abgefeuert wurden. Eine gewaltige Winde zog an den Seilen und behinderte das Tier zusätzlich. Wenn es schwächer wurde, wurde es allmählich eingeholt, bis es mit scharfen Fischhaken ins Boot gezogen und nach Belieben getötet werden konnte. Zuerst wurden Buckelwale, dann Nordwale und schließlich, als auch diese beinahe ausgerottet waren, die schwerer zu erlegenden Finnwale gejagt.
    Diese spezielle Walfangstation, bekannt als Stromviken, war mit Unterbrechungen seit den 1890 er Jahren in Betrieb gewesen,
bis sie 1958 endgültig unter Zurücklassung der gesamten Ausrüstung von Lokomotiven bis zum Feuerholz geschlossen worden war. Es hatte sich zwar gelohnt, die Ausrüstung hierher zu schaffen, aber sie wieder mitzunehmen wäre zu teuer und zu aufwendig gewesen. Die Norweger hatten den Walfang keineswegs vollständig aufgegeben. Wie Japan oder Island bestanden sie auf ihrem Gewohnheitsrecht, Wale jagen zu dürfen. Als das Thema eines Abends beim Essen in der Kantine zur Sprache kam, hatte Charlotte angewidert ihre Gabel auf den Tisch geworfen. »Das war’s. Ich werde mich von jedem norwegischen Teil trennen, das ich besitze.« Darryl hatte sie gefragt, was das für Konsequenzen haben würde, und nach kurzem Nachdenken hatte sie erwidert: »Ich fürchte, ich werde diese Rentierjacke wegwerfen müssen.«
    »Bloß nichts übereilen!«, sagte Michael, suchte nach dem Etikett und lachte. »Siehst du? Made in China.«
    Charlotte hatte erleichtert geseufzt. »Sie ist tatsächlich unglaublich warm.«
    Als die Hunde den Schlitten eine leichte, aber vereiste Anhöhe hinaufzogen, erhaschte Michael den ersten, kristallklaren Blick auf die Walfangstation. Obwohl es kaum möglich schien, war sie noch eintöniger als Point Adélie. Am Landungssteg hatten die Boote mit ihrem Fang festgemacht, manchmal mit mehr als zwanzig Walen auf einmal. Damit die Kadaver über Wasser blieben, wurden sie mit Luft aufgepumpt. Vom Pier führten breite Rampen zu einem wirren Geflecht aus halb vergrabenen Eisenbahnschienen. Eine Lokomotive, inzwischen schwarz und rot vom Rost, hatte die toten oder sterbenden Wale zum Flensdeck geschleppt. Das war der große Platz, auf dem die Walfänger mit ihren scharfen Messern den Walspeck und die Flossen in großen, blutigen Streifen abschnitten. Aus einem einzigen der riesigen, muskulösen Tiere ließen sich Hunderte Liter Tran gewinnen.
    Auf diesem Platz befahl Danzig den Hunden anzuhalten und warf den Schneeanker. Als er geschickt von den Kufen sprang,
kam der Schlitten zum Halten. Durch das plötzliche Verstummen der zischenden Kufen entstand eine sonderbare Stille, bis Michael lauschte und den Polarwind an den welligen Stahlwänden des Lagerschuppens rütteln und durch das Gebälk der Holzhäuser pfeifen hörte, die schon lange vor denen aus Blech hier gestanden hatten. Mit Danzigs Hilfe kletterte er aus seinem Liegeplatz auf dem Schlitten auf den gefrorenen Schlamm des Flensdecks. Um ihn herum standen baufällige Gebäude, deren Zwecke ihm schleierhaft waren. Es erinnerte ihn an die Geisterstadt, die er einmal im Südwesten der USA fotografiert hatte.
    Aber das hier war schlimmer. Er hatte das Gefühl, auf einem Schlachtfeld zu stehen, und er wusste, dass der Tundraboden unter seinen Füßen

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