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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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sofort auffiel, dass sie zum Beispiel ständig nach Formaldehyd röchen oder ihnen stets ein Winkelmesser aus der Tasche ragte. Nein, es hatte eher etwas mit ihrem Gesichtsausdruck zu tun. Wenn er für seine Artikel über die Natur recherchierte und Fotos machte, hatte Michael oft mit Forschern zu tun, und alle wirkten auf ihn gleichgültig und in höchstem Maße aufmerksam zugleich. Sie konnten Teil einer Gruppe sein und trotzdem nicht dazugehören. So angestrengt manche von ihnen es auch versuchten, es gelang ihnen niemals wirklich. Es war wie bei dem Schwarm Mondfische, den Michael einmal vor den Bahamas fotografiert hatte. Alle Fische versuchten, so weit wie möglich im Zentrum des Schwarms zu schwimmen, weil es dort am sichersten war, doch einige Exemplare blieben immer am Rand und schafften es nie bis in die Mitte, aus welchen Gründen auch immer.
    Und natürlich erwischten die Räuber diese Tiere am leichtesten.
    Während der Zwischenlandung in Santiago, wo er auf die Propellermaschine nach Puerto Williams warten musste, schleppte
Michael seinen Seesack in das überfüllte Café des Flugplatzes. Der rothaarige Typ saß allein an einem Tisch in der Ecke, den Kopf über den Laptop gebeugt. Michael ging nah genug heran, um zu erkennen, dass er eine komplexe Graphik, bedeckt mit Zahlen, Pfeilen und Linien, studierte. Auf Michael wirkte es entfernt wie eine Landkarte. Er stand ein oder zwei Sekunden da, dann fuhr der Typ auf dem Stuhl herum. Er hatte ein schmales, langes Gesicht, und seine Augenbrauen waren ebenfalls hellrot. Er musterte Michael von Kopf bis Fuß und sagte: »Das hier wird Sie wohl kaum interessieren.«
    »Ich wollte Sie nicht belästigen«, erwiderte Michael und trat näher. »Ich warte nur auf meinen Anschluss nach Puerto Williams.«
    Er wartete, ob es funktionierte, und tatsächlich sagte der Typ: »Ich auch.«
    »Was dagegen, wenn ich mich setze?«, fragte Michael und nahm sich den letzten freien Stuhl am Tisch, der zugleich der letzte freie Stuhl weit und breit war.
    Er ließ seinen Seesack auf den Boden fallen und stellte einen Fuß auf den Tragegurt, wie er es sich bei seinen zahlreichen Nachtflügen im Ausland angewöhnt hatte. Dann streckte er die Hand aus und stellte sich vor. »Michael Wilde.«
    »Darryl Hirsch.«
    »Nach Puerto Williams wollen Sie also. Bleiben Sie da?«
    Hirsch drückte noch ein paar Tasten und klappte dann den Laptop zu. Er sah Michael an, als wüsste er noch nicht so recht, was er von ihm halten sollte.
    »Sie kommen nicht zufällig vom Geheimdienst oder so? Wenn ja, dann haben Sie keine Ahnung von Ihrem Job.«
    Michael lachte. »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Ich bin Wissenschaftler, und wir leben im Zeitalter der Idioten. Wer weiß, vielleicht verfolgen Sie mich, um sicherzustellen, dass ich nicht beweise, dass die Erde sich erwärmt, obwohl das
offensichtlich ist. Die Eiskappen schmelzen wirklich, die Eisbären verschwinden tatsächlich und Intelligent Design ist etwas für Idioten. Also los – jetzt verhaften Sie mich schon.«
    »Keine Panik! Aber ehrlich gesagt, hören Sie sich für mich etwas paranoid an.«
    »Nur weil man paranoid ist«, stellte Darryl fest, »heißt es noch lange nicht, dass man nicht auch verfolgt werden kann.«
    »Stimmt auch wieder«, gab Michael zu. »Aber keine Sorge, ich halte mich für einen von den Guten. Ich arbeite für das
Eco Travel-Magazine
, mache Fotos und schreibe die Texte. Ich bin unterwegs in die Antarktis, um eine Story über das Leben auf einer Forschungsstation da unten zu schreiben.«
    »Über welche Station? Viele Länder haben da eine Forschungseinrichtung hingebaut, nur um ihre Ansprüche anzumelden.«
    »Point Adélie. So nah am Südpol, wie es nur geht.«
    »Oh«, machte Hirsch und verdaute die Neuigkeit. »Da will ich auch hin. Hm.« Er klang, als hätte er seine Verschwörungstheorie immer noch nicht ganz aufgegeben. »Das ist ja ’n Ding.« Mit den Fingern trommelte er auf dem geschlossenen Deckel des Laptops. »Sie sind also Journalist.«
    Michael entdeckte den ersten Schimmer von etwas, das er schon tausendmal zuvor gesehen hatte. Wenn die Menschen herausfanden, dass er ein Autor war, war da zuerst immer eine leichte Überraschung, dann akzeptierten sie es und schließlich, eine Nanosekunde später, wurden ihnen klar, dass er sie berühmt machen könnte. Oder zumindest über sie schreiben. Es war, als sähe er kleine Lichter über ihren Köpfen aufleuchten.
    »Das ist ja großartig«, sagte Hirsch. »Und

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