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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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würde sich niemals ungeschehen machen lassen.
    »O mach es weich und schmal … «
    Aber was blieb ihm anderes übrig?
    »Mein Liebster ist heut’ für mich gestorben … «
    Bei Tagesanbruch würde sie tot sein. Er legte die Arme um sie und spürte ihren Atem an seiner eigenen Kehle.
    »Ich werde morgen für ihn sterben … «
    Und dann ließ er es ihr zuteil werden. Er presste die Lippen auf ihre Haut, und ihr Blut vermischte sich mit seinem verderbten Speichel. Sie zuckte zusammen, als hätte eine Biene sie gestochen, ihr Singen brach ab, und ihr Körper wurde steif.
    Als er Augenblicke später den Kopf hob, die Lippen noch feucht von der schauderhaften Umarmung, entspannten sich ihre Glieder. Verträumt sah sie ihn an und sagte: »Aber es ist so ein trauriges Lied.« Sie strich mit der Fingerspitze über seine tränennasse Wange. »Soll ich jetzt etwas Heiteres für dich spielen?«

Vierter Teil
    Die Reise zurück
    Ich blick empor; will beten dann;
Doch meiner Lipp’ mit Stocken
Entfließt nur gottlos Flüstern, macht
Mein Herz wie Staub so trocken.
     
    Ich schließ das Aug’; gleich Pulsen pocht
Des Auges Stern beim Schließen;
Des Himmels Höh’, die blaue See
Tut lastend meinen Augen weh,
Und die Toten mir zu Füßen!
    Der alte Matrose

Samuel Taylor Coleridge, 1798
Deutsch von Ferdinand Freiligrath

40 . Kapitel 18 .Dezember, 9 : 00 Uhr
    Als Michael in der Krankenstation auftauchte und sich den Schnee von den Stiefeln klopfte, kam Charlotte aus der Tür und legte einen Finger an die Lippen. Sie fasste ihn am Arm und führte ihn zurück zur Außentür. »Nicht jetzt.«
    »Geht es ihr gut?«
    Sie machte eine ungewisse Handbewegung, während sie sich die Handschuhe anzog. »Sie hat eine schwere Zeit hinter sich und leichtes Fieber. Ich habe ihr eine Infusion mit etwas Beruhigungsmittel und einer Glukoselösung gegeben. Es ist das Beste, wenn sie sich jetzt ausruht.«
    Michael war enttäuschter, als er gedacht hätte. Seit er Eleanor in der Walfangstation wiedergefunden hatte, hatten ihn ihr Gesicht und der Klang ihrer Stimme verfolgt, und er wollte unbedingt den Rest ihrer Geschichte aufdecken.
    »Murphy war schon hier, um mich daran zu erinnern, Stillschweigen über ihre Anwesenheit zu bewahren.«
    »Ja, bei mir war er auch«, sagte Michael.
    »Komm mit«, sagte Charlotte und setzte die Kapuze auf. »Ich brauche jetzt erst einmal eine Tasse von Onkel Barneys extra starkem Kaffee.«
    Sie klammerten sich wegen des böigen Windes aneinander und gingen vorsichtig die Rampe hinunter und zum Hauptgebäude. Über Nacht war ein Weihnachtsbaum aus Plastik, geschmückt
mit Lametta und leicht ramponiertem Weihnachtsschmuck, aufgetaucht und stand verloren in einer Ecke der Kantine.
    Darryl hatte bereits einen Tisch weiter hinten besetzt und arbeitete sich durch einen Berg Gemüse und gebratenen Tofu auf seinem Teller. Onkel Barney hatte bereits über Funk mehr davon für den nächsten Versorgungsflug bestellt. Charlotte setzte sich auf den Stuhl neben ihm und Michael nahm auf der anderen Seite des Tisches Platz. Wenn Charlotte ihre Zöpfe zusammengebunden hatte, sah es aus, als trüge sie eine Ananas auf dem Kopf.
    Als Erstes tat sie jede Menge Zucker in den Kaffeebecher und nahm einen großen Schluck.
    »Gerade erst aufgestanden?«, fragte Darryl. »Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, aber du siehst aus, als wärest du besser noch liegen geblieben.«
    »Danke für die freundlichen Worte«, sagte sie und setzte den Becher ab. »Wie kommt’s, dass deine Frau dich nicht schon längst erschossen hat?«
    Achselzuckend erklärte Darryl: »Ehrlichkeit ist das oberste Gebot in unserer Ehe«, und Michael musste lachen.
    »Es ist schon merkwürdig«, sagte sie, »in Chicago, wo mitten in der Nacht mindestens eine Autoalarmanlage losgeht und die Nachbarn bis vier Uhr morgens Partys feiern, schlafe ich wie ein Baby. Hier, wo es totenstill ist und das nächste Auto tausend Meilen entfernt geparkt ist, bin ich die halbe Nacht wach.«
    »Ziehst du deine Bettvorhänge zu?«, fragte Darryl.
    »Im Leben nicht!«, sagte sie und dippte etwas Toast in ein weiches Ei. »Das erinnert mich zu sehr an einen Sarg.«
    »Und was ist mit den Verdunkelungsvorhängen vor dem Fenster?«
    Sie schwieg und kaute langsam. »Letzte Nacht bin ich aufgestanden und habe daran herumgespielt.«
    »Der Trick ist«, ermahnte Darryl sie, »sie zu schließen,
bevor
du ins Bett gehst.«
    »Habe ich auch, aber ich hätte schwören können … « Sie brach

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