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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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vergewissern Sie sich, dass die Freundschaftsbande, wie eng sie auch geknüpft sein mögen, Sie nicht von dem größeren Ziel ablenken, das wir hier verfolgen. Wie Sie wissen, stehen wir alle hier ständig unter strengster Beobachtung.«
    »Ja, Mutter. Sehr wohl, Mutter.«
    »Gute Nacht, MrsMulcahy.«
    Dann stieg Miss Nightingale in ihrem Kleid aus raschelnder Seide die Treppe hinab. Als das Licht ihrer Lampe verschwunden war, trat Sinclair aus dem Schatten. Moira sagte nichts, sondern gab ihm nur ein Zeichen, weiterzugehen. Auf dem nächsten Treppenabsatz hörte er die Stimmen mehrerer Krankenschwestern, die erschöpft die Nachrichten des Tages austauschten, während andere abwuschen. Eine erzählte von einem aufgeblasenen Offizier, der verlangt hatte, sie solle aufhören, die Wunde eines Infanteristen zu verbinden, um ihm eine Tasse Tee zu bringen. Moira legte einen Finger an die Lippen und führte Sinclair zu einer weiteren Treppe, die in die Spitze des Turms führte. Bald darauf fand er sich in einem winzigen Alkoven mit einem hohen Fenster wieder, durch das der Blick auf das dunkelblaue Wasser des Bosporus fiel.
    Moira hob ihren Rock hoch, eilte zum Bett und flüsterte: »Ellie, sieh nur, wen ich dir mitgebracht habe!«
    Ehe Eleanor den Kopf auf dem Kissen wenden konnte, war Sinclair neben ihrem Lager in die Knie gegangen und hatte ihre Hand ergriffen. Sie fühlte sich schlaff, heiß und feucht an.
    Ihr Blick ging ins Leere und sie schien verärgert über die Störung zu sein. Er bezweifelte, dass sie seine Anwesenheit tatsächlich wahrnahm.
    »Wenn das Instrument nicht gestimmt ist«, sagte sie, »dann sollte man nicht darauf spielen.«
    Moira suchte seinen Blick, als brauchte sie seine Bestätigung, dass Eleanor nicht ganz bei Sinnen war.
    »Und leg die Noten zurück in die Bank. Sonst gehen sie verloren.«
    Sie war wieder in England, vielleicht im Haus ihrer Familie, wahrscheinlich jedoch im Pfarrhaus, in dem sie früher, wie sie ihm erzählt hatte, Klavierunterricht bekommen hatte. Er presste die Lippen auf ihre Hand, doch sie zog die Hand fort und wischte damit über das Laken, als versuchte sie, einen Schwarm Fliegen
fortzuscheuchen. Sie waren überall in den Krankensälen, aber hier, so stellte er fest, hoch oben im Turm und in Sichtweite des Meeres, waren keine.
    Wie sollte er Moira loswerden? Um zu tun, was er tun musste, um Eleanors Leben zu retten, musste er allein und unbeobachtet mit ihr sein. Moira tauchte einen Fetzen Stoff in einen Eimer mit Wasser und tupfte Eleanors Gesicht damit ab.
    »Moira, können Sie mir vielleicht ein Glas Portwein beschaffen, was meinen Sie?«
    »Leichter gesagt als getan«, erwiderte sie, »aber ich werde es versuchen.« Moira war nicht dumm. Sie reichte ihm das Tuch und zog sich taktvoll zurück.
    Sinclair betrachtete Eleanors Gesicht im Mondlicht. Die Wangen waren vom Fieber gerötet, und die Augen glänzten vor wahnsinnigem Entzücken. Sie war sich ihres Leidens nicht bewusst, im Grunde war sie nicht einmal anwesend. Ihre Seele hatte den Körper verlassen und reiste in Yorkshire umher. Aber ihr Körper, fürchtete er, würde auch bald gehen. Er hatte Hunderte von Soldaten toben und rasen, murmeln und lachen sehen, ehe sie plötzlich ihren Kopf zur Wand drehten und mit einem letzten Atemzug ihr Leben aushauchten.
    »Kannst du etwas auf dem Pianoforte für mich spielen?«, sagte er.
    Eleanor seufzte und lächelte. »Was möchtest du hören?«
    Behutsam zog er die Wolldecke zurück, und die Hitze ihres fiebrigen Körpers schlug ihm entgegen.
    »Such dir etwas aus.«
    »Mir gefallen traditionelle Lieder sehr gut. Ich kann dir ›Barbara Allen‹ vorspielen, wenn du magst.«
    »Das würde ich gerne hören«, sagte er und schob das Unterkleid von ihrer Schulter. In dem kühlen Luftzug, der durch das offene Fenster eindrang, begann sie zu zittern. Er beugte den Kopf über ihre Schulter.
    Eleanors Finger zuckten, als liebkosten sie eine Tastatur, und unter ihrem rasselnden Atem summte sie die Anfangstakte eines Liedes.
    Obwohl ihre Haut sich noch immer heiß anfühlte, hatte sie eine Gänsehaut. Er legte ihr eine Hand über die Brust, um sie vor der Nachtluft zu schützen. Trotz des vordringlichen Geruchs von Kampfer und Wolle duftete sie für ihn so süß wie eine Wiese im Sommermorgen. Als seine Lippen ihre Haut streiften, schmeckte sie wie frisch gemolkene Milch.
    Ganz leise sang sie: »O Mutter, Mutter, bereite mir mein Lager … «
    Was er vorhatte, so fürchtete er,

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