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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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würden, würde ihn zweifelsohne umbringen.
    »Eleanor ruht sich heute aus«, sagte Moira und versuchte seinem Blick auszuweichen, als sie die Schale mit der noch warmen Suppe und einen Becher brackigen Wassers absetzte.
    »Ich will die Wahrheit wissen«, sagte er und hielt ihren Ärmel fest.
    »Miss Nightingale wünscht, dass sie wieder zu Kräften kommt.«
    »Sie ist krank, nicht wahr?«
    Er sah ihren ausweichenden Blick, als sie einen Löffel aus ihrer Schürzentasche zog und ihn in die Suppenschale tauchte.
    »Ist es das Fieber? Wie steht es um sie?«
    Moira unterdrückte ein Schluchzen und blickte schnell weg. »Essen Sie Ihre Suppe, solange sie noch heiß ist.«
    »Zum Teufel mit der Suppe. Wie weit ist das Fieber schon fortgeschritten?« Allein der Gedanke an das Schlimmste zerriss ihm das Herz. »Sagen Sie mir, dass sie noch am Leben ist!«
    Moira nickte, während sie sich die Tränen abwischte und sich kläglich entschuldigte, weil sie kein Taschentuch hatte.
    »Wo ist sie? Ich muss zu ihr.«
    Moira schüttelte den Kopf und sagte: »Das ist unmöglich. Sie liegt in den Räumen der Krankenschwestern und darf nicht fortgebracht werden.«
    »Ich werde zu ihr gehen.«
    »Sie würde es nicht wollen, dass Sie sie so sehen. Es gibt nichts, was Sie für Eleanor tun können.«
    »Das kann ich wohl besser beurteilen.«
    Er warf das schäbige Laken zurück und kam schwankend auf die Beine. Alles drehte sich um ihn, die schmutzigen Wände, die mit Fliegen bedeckten Musselinvorhänge, die elenden Körper, die in unordentlichen Reihen überall auf dem Boden lagen. Moira legte die Arme um seine Hüfte und stützte ihn.
    »Sie können dort nicht hingehen!«, protestierte sie. »Das geht nicht!«
    Doch Sinclair wusste, dass er es konnte und dass Moira ihm dabei helfen würde. Er tastete im Stroh herum, das er zu einem Kopfkissen geformt hatte, und zog seine zerknitterte und verschmutzte Uniformjacke hervor. Mit Moiras widerstrebender Hilfe konnte er sich fertig ankleiden, dann schlurfte er auf die Tür zu. Sie öffnete sich zu zwei endlosen Korridoren, die beide gleichermaßen dämmrig und überfüllt waren, jedoch in verschiedene Richtungen führten. »Wohin?«
    Moira packte ihn fest am Arm und führte ihn nach links. Sie kamen an mehreren Räumen vorbei, gefüllt mit Kranken und Sterbenden. Die meisten Männer waren still, nur wenige murmelten leise vor sich hin. Denjenigen, die solche Qualen litten oder im Delirium lagen, dass sie keine Ruhe gaben, gab man eine Dosis Opium und hoffte, dass sie nicht wieder aufwachten. Gelegentlich kamen sie an Pflegern oder Militärärzten vorbei, die ihnen neugierige Blicke zuwarfen. Doch das Lazarett war so riesig, und jeder, der dort arbeitete, war so von seinen eigenen Pflichten und Aufgaben in Anspruch genommen, dass niemand sich weiter um sie kümmerte.
    Da das Lazarett ursprünglich als Kaserne gedient hatte, war es in einem großen Quadrat um einen zentralen Hof angelegt, der ausreichend Platz bot, um tausend Soldaten aufmarschieren zu lassen. An jeder der vier Ecken befanden sich Türme. Die Quartiere
der Krankenschwestern waren im Nordwestturm untergebracht, und Sinclair musste sich schwer auf Moiras kräftige Arme und Schultern stützen, als sie die schmalen, gewundenen Stufen erklommen. Als sie den ersten Absatz erreicht hatten, sahen sie den Schimmer einer Laterne, der sich ihnen näherte, und Moira drängte Sinclair rasch in eine dunkle Nische. Als das Licht näherkam, trat Moira vor und sagte: »Guten Abend, Mutter«, und aus seinem Versteck sah Sinclair, dass es Miss Nightingale war, die sie gegrüßt hatte, mit einer Lampe in der Hand und einem schwarzen Spitzentaschentuch über der weißen Haube drapiert.
    »Guten Abend, MrsMulcahy«, erwiderte sie. Der weiße Kragen, die Manschetten und die Schürze, die sie trug, leuchteten im Schein der Laterne. »Ich nehme an, sie wollen zu Ihrer Freundin?«
    »Jawohl, Mutter.«
    »Wie geht es ihr? Ist ihr Fieber inzwischen heruntergegangen?«
    »Nicht so, dass man es bemerkte, Mutter.«
    »Tut mir leid, das zu hören. Ich werde nach ihr sehen, sobald ich meine Runde beendet habe.«
    »Danke, Mutter. Ich weiß, dass sie Ihnen dankbar dafür wäre.«
    Als Miss Nightingale den Lampendocht stutzte, hielt Sinclair in seiner dunklen Ecke den Atem an.
    »Wie ich mich entsinne, haben Sie beide sich zusammen für diese Mission gemeldet, nicht wahr?«
    »Das stimmt, Mutter.«
    »Und Sie sollen auch zusammen zurückkehren«, sagte sie. »Aber

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